Umgang mit horntragenden Kühen Umgang mit horntragenden Kühen

Wenn Kühe Hörner haben

Kühe mit Hörnern sind insbesondere in der ökologischen Tierhaltung erwünscht. Aber auch andere Betriebe möchten den Rindern ihre Hörner lassen. Das stellt sie vor einige Probleme. Doch es gibt Gründe dafür.

Hörner am Tier sind für viele Menschen ein Zeichen von Unversehrtheit, Vollständigkeit und Würde der Kuh. Hörner bedeuten aber im Arbeitsalltag oft ein höheres Unfallrisiko. Vor allem dann, wenn horntragende Kühe aus der Anbindehaltung in eine Laufstallhaltung wechseln.

Ein Grund für den Verzicht auf das Enthornen ist die skeptische Haltung gegenüber der schmerzhaften Amputation der Hornanlagen bei jungen Kälbern. Aber auch die nicht abschließend wissenschaftlich geklärte Bedeutung des Kuhhornes für den Stoffwechsel, das Immunsystem und die Milchqualität der Tiere spielt für manche eine Rolle. In der Zucht genetisch hornloser Rinder sehen einige auch keine Lösung. Es besteht die Sorge, dass die intensive Zucht genetisch hornloser Tiere die genetische Vielfalt einschränkt.

Hörner sind Teil der Kuh

Unbestritten sind Hörner durch ihr rassetypisches aber tierindividuelles Erscheinungsbild in Form und Farbe einem Fingerabdruck gleichzusetzen. An der Hornstruktur sind Einflüsse des Hornwachstums wie die Zahl der Abkalbungen, der Einfluss der Fütterung und Krankheitsphasen ablesbar. Einen Kühleffekt und damit Minderung von Hitzestress durch die weit in die Hörner hineinragenden Nasennebenhöhlen konnte eine Untersuchung der Universität Kassel nicht bestätigen. Der Nutzen des Hornes für die Verdauung ist wissenschaftlich noch nicht bewiesen. Dennoch fällt auf, dass Hörner nur bei Wiederkäuern anzutreffen sind.

Morphologie des Kuhhornes

Beim Kalb ist die Hornanlage lediglich mit der Haut verwachsen und auf dem Schädelknochen verschiebbar. Mit zunehmendem Alter wächst ein Auswuchs des Stirnbeines in den ebenfalls wachsenden Hornzapfen hinein. Das zu Anfang knorpelige Gewebe verknöchert in der weiteren Entwicklung und bildet eine feste Verbindung zwischen Horn und Schädel. Der hohle, mit Schleimhaut bedeckte und stark durchblutete Hornzapfen wächst ein Leben lang. Enthornte Tiere reagieren auf die Amputation der flächenmäßig sehr kleinen Hornanlage durch ein stark verändertes Schädelwachstum mit einer hohen Auswölbung des Stirnbeines, was die Befürworter von Hornkühen mit einer Kompensation der knöchernen Hornzapfen erklären.

Hörner sind beim Rind Kommunikationsmittel

Hörner kommen einem Verstärker in der innerartlichen Kommunikation gleich. Die Höhe des Kopfes signalisiert eine freundlich einladende Geste, neutrale Stimmung oder Warnung und Angriffslust. Entsprechend verstärken Hörner diese Signale.

In der Frontalansicht vergrößern mehr oder weniger große, seitlich abstehende Hörner die Silhouette und damit Lesbarkeit der Stimmung für Artgenossen, aber auch für Menschen. Diese individuelle Silhouette ist auch Erkennungsmerkmal unter Herdenmitgliedern. Abhängig von Alter, Körpermasse und Hierarchiestellung können horntragende Kühe durch ihre Körperhaltung meist kampflos die Einhaltung ihrer Individualdistanz durchsetzen.

Horntragende Tiere haben gegenüber rangniederen Artgenossen eine größere Individualdistanz als hornlose Tiere.

Hörner dienen lediglich gegenüber artfremden Feinden als Waffen. In Rangordnungskämpfen nutzen die Tiere sie als Halteinstrumente, damit die Köpfe nicht abrutschen.

Enthornte Kühe stoßen dagegen eher mit dem Kopf in die gegnerischen Flanken, um ihre Anliegen "durchzuboxen“. Horntragende Kühe verletzen sich eher im Bereich des Euters und im Genitalbereich. Vor allem passiert das beim Drängeln an Engstellen.

Bei einem ausreichenden Platzangebot, beispielsweise auf der Weide, sind körperliche Auseinandersetzungen seltener als in engen Verhältnissen im Stall.

Mensch-Tier-Beziehung wird bei Hornträgern wichtiger

Unfälle mit Tieren sind meist die Folge von Unaufmerksamkeit oder der falschen Interpretation des Tierverhaltens. Gelegentlich treffen auch unkundige Menschen auf horntragende Tiere, beispielsweise beim Überqueren von Weideflächen auf ausgewiesenen Wanderwegen. Hier können Missverständnisse zwischen Menschen und Tieren, die Unterschreitung der Individualdistanz oder die Provokation von Tieren durch unangemessenes Verhalten zu schweren, gelegentlich zu sogar tödlichen Unfällen führen.

Die Wahrnehmung horntragender Tiere als gefährlich oder ungefährlich durch Tierbetreuende ist subjektiv und von den Kenntnissen zu Tierverhalten, dem Vertrauensverhältnis zwischen Menschen und Tieren sowie den Erfahrungen mit der anderen Spezies in der Vergangenheit abhängig. Schon wer horntragende Rinder aufzieht, sollte negative Erlebnisse im Umgang mit Menschen vermeiden und ein stabiles Vertrauensverhältnis aufbauen.

Beachtet werden muss dabei auch der individuelle Abstand, den ein Rind benötigt, um sich gegenüber Menschen sicher zu fühlen.

Horntragende Tiere sind sich der Ausmaße ihrer Hörner wohl bewusst. In Schreckmomenten können sie aber Menschen durch impulsive Hornstöße verletzen. Der Mensch sollte sich daher im Kopfbereich der Kühe immer mit voller Aufmerksamkeit bewegen, möglichst schräg hinter dem Kopf und dicht am Tier.

Hörner im Kuhstall einplanen

Die Haltung von Hornkühen erfordert Anpassungen in der Haltungsumwelt, die über die gesetzlichen Anforderungen der verschiedenen Haltungssysteme hinausgehen.

Der Platzbedarf ist im Lauf- und Wartebereich, im Umfeld von Tränken, Lecksteinen und Komforteinrichtungen größer. Denn es gilt, Konkurrenzsituationen um begrenzte Ressourcen zu vermeiden. Fressplätze und Kraftfutterstationen müssen Hörnereignung aufweisen, ungestörtes Fressen und eine Befreiung von verunglückten Tieren jederzeit mit wenigen Handgriffen und geringem personellen wie technischem Aufwand ermöglichen.

Laufhöfe sollten großzügiger dimensioniert und möbliert sein und über mehrere Zugänge verfügen, damit auch schwächere Tiere sich hinaus trauen.

Abgehängte Trennwände bieten rangniederen Tieren im Stall zusätzliche Rückzugs- und Versteckmöglichkeiten. Böden müssen einmal mehr rutschfest und hindernisfrei gestaltet sein. Auch Das Tier-Liegeplatzverhältnis muss großzügiger bemessen werden und wandständige Liegeboxen über einen tieferen Kopfschwungraum verfügen. Wo Stirnriegel angebracht werden können, muss genau beobachtet werden, gegebenenfalls müssen sie wegfallen.

Tiermanagement wird anspruchsvoller

Bei horntragenden Herden sollten auch bestimmte arbeitswirtschaftliche Verfahren überdacht werden. Beispielsweise ist die Eingliederung von Einzeltieren in die Herde ungünstig. Besser ist es, eine Gruppe von Tieren einzugliedern. Und auch dies sollte erst nach einer Gewöhnungsphase mit Abtrennung und Sichtkontakt erfolgen. Bei brünstigen Tiere empfiehlt es sich, diese zu separieren - soweit kein Bulle in der Herde mitläuft. In der Konsequenz sollten besonders unverträgliche Tiere die Herde verlassen und von der Zucht ausgeschlossen werden.

Empfehlungen für die Haltung von Kühen mit Hörnern

Die Universität Kassel hat mit Partnern und Förderung des BMEL einen Werkzeugkasten für die Haltung horntragender Milchkühe im Laufstall mit einer Vielzahl von Gestaltungs- und Handlungsempfehlungen entwickelt: Werkzeugkasten zur Haltung von Milchkühen mit Hörnen im Laufstall (PDF)

Die Veterinärmedizinische Universität Wien hat ebenfalls mit Partnern Empfehlungen zur Haltung von Rindern mit Hörnern erarbeitet und in der Broschüre: Behornte Kühe im Laufstall - gewusst wie zusammengefasst.

Die Haltung horntragender Kühe ist eine Grundsatzentscheidung für rinderhaltende Betriebe. Viele der diskutierten Argumente pro und kontra Kuhhorn sind wissenschaftlich nicht abgesichert. Eindeutiger ist die Position der landwirtschaftlichen  Berufsgenossenschaften, die auf eine höhere Gefahrenlage für Mensch und Tier hinweisen.

Klar ist: Die Haltung horntragender Tiere in Laufställen stellt höhere Anforderungen an das Tiermanagement und die Haltungsumgebung als dies enthornte oder genetisch hornlose Rindern tun.


Letzte Aktualisierung 18.07.2024

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