Milchkühe im Brandfall evakuierenMilchkühe im Brandfall evakuieren

Milchkühe im Brandfall evakuieren

Milchkühe sind den täglichen Umgang mit Menschen gewohnt. Mit ihnen lässt sich deshalb eine Evakuierung für den Notfall vorbeugend üben.

Einen Brand im Stall will niemand erleben. Vorbeugenden Brandschutzmaßnahmen kommt daher eine zentrale Rolle zu. Sollte es dennoch zu einem Brandfall kommen, hilft es, wenn die Kühe Rettungs- und Evakuierungsmaßnahmen zuvor geübt haben. Das funktioniert, weil sie das Treiben durch Menschen gewohnt sind. Darüber hinaus macht eine Haltung in offenen Laufställen eine Evakuierung im Brandfall auch einfacher als beispielsweise die Tierrettung von Schweinen aus vollklimatisierten Ställen in Massivbauweise.

Rettungskorridore und nach außen öffnende Fluchttore können im Brandfall das Leben vieler Kühe retten. Diese Fluchtwege ermöglichen gleichzeitig der Feuerwehr eine schnellere Hilfe.

Doch damit die Tiere im Ernstfall auch nach draußen gehen, muss dieses Verhalten trainiert werden. Nicht zuletzt müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im landwirtschaftlichen Betrieb in der Gefahrenerkennung und Tierrettung geschult werden, um ein Fehlverhalten im Brandfall zu minimieren.

Verhalten der Kühe im Brandfall lässt sich trainieren

Das Verhalten von Rindern im Brandfall hängt davon ab, ob die Tiere es gewohnt sind, nach draußen zu gehen. Wenn sie zum Beispiel nach dem Melken auf einen Laufhof oder auf die Weide gehen, besteht durch diesen gewohnten Ausgang eine gute Chance der Tierrettung.

Der Rettungserfolg hängt darüber hinaus davon ab, wie weit der Brand fortgeschritten ist, die Kühe etwa bereits durch das Einatmen von Schadgasen und Rauchintoxikation apathisch sind, oder ob sie in Panik sind. In letzterem Fall kann es zu unvorhersehbaren plötzlichen Reaktionen kommen.

Hier gilt dann sowohl für Betreuungspersonen wie auch Feuerwehrleute: Eigenschutz geht vor!

Das Flucht- und Vermeidungsverhalten der Rinder kann dazu führen, dass die Tiere zunächst nicht aus dem Stall, also ihrer gewohnten Umgebung wollen. Und wenn sie dann draußen sind, wollen sie womöglich aufgrund von Lärm, Beleuchtung und Löscharbeiten wieder zurück in ihren Stall.

Deshalb sollten Milchviehbetriebe Plätze vorhalten, zu denen die Kühe, Jungrinder und Kälber hingetrieben werden können. Gibt es eine Hofweide, Ersatzstallungen oder vielleicht eine Maschinenhalle? Denn gerettete aber freilaufende Tiere sind eine Gefahr für die Einsatzkräfte, für Passanten oder auch für den Straßenverkehr.

Grundlagen des Rinderverhaltens berücksichtigen

Für Evakuierungsstrategien, Treibwege, Sammelplätze und Ersatzställe müssen die Grundlagen des Rinderverhaltens berücksichtigt werden:

  • Rinder sind Herdentiere und sollten deswegen auch möglichst als Herde aus dem Stall verbracht werden. Sich gegenseitig unbekannte Gruppen sollten aber möglichst nicht gemischt werden.
  • Rinder haben Angst vor Unbekanntem. Vertraute Wege werden schneller begangen. Mit Evakuierungsübungen lassen sich vorher unbekannte Wege trainieren.
  • Rinder haben eine schlechte Hell-Dunkel-Adaption und eine schlechte Tiefenwahrnehmung. Sie beäugen Licht-Schatten-Wechsel, bevor sie weitergehen. Die Lichtverhältnisse vom dunklen/hellen Stall zum dunklen/hellen Treibeziel sollten daher annähernd gleich gestaltet sein. Blendende Scheinwerfer von Einsatzfahrzeugen kurzfristig ausschalten oder abwenden. Rotierendes Blaulicht ist zu vermeiden.
  • Rinder gehen ungern über spiegelnde, nasse Flächen, wie sie zum Beispiel durch Löscharbeiten entstehen. Je besser die Trittsicherheit für die Tiere, umso schneller geht das Treiben vonstatten.

Im Forschungsprojekt REGROBRA wurden Landwirtinnen und Landwirte sowie Feuerwehrleute zu den Schwierigkeiten bei der Tierrettung befragt. Hier sind die wichtigsten Antworten zusammengefasst:

  • Die Einsturzgefahr verhindert das Betreten des Stalls.
  • Die Rettungsgkräfte sind unerfahren im Umgang mit den Tieren.
  • Die Tiere, vor allem die, die Ausgang nicht gewöhnt sind, wollen den Stall nicht verlassen.
  • Bei starker Rauchbelastung verhalten sich die Tiere apathisch.

Die wichtigsten Maßnahmen im Überblick

  • Notfallöffnungen im Stall beim Neubau einplanen oder im bestehenden Stall Tore nachrüsten
  • Im Außenbereich erweiterte Sammelstellen vorhalten (Laufhof oder Hofweide)
  • Ein Tierrettungskonzept mit Flucht- und Rettungswegen entwerfen und umsetzen
  • Hofbegehungen mit der örtlichen Feuerwehr machen. Übungen zu Lageplan, Wasserbereitstellung, Rettungswege, Sammelstelle, Positionierung der Einsatzfahrzeuge durchführen
  • Brände vermeiden und Gefahrenprüfung: Check elektrischer Anlagen, Feuerlöscher für Kleinstbrände, feuergefährliches Arbeiten wie Schweißen, Lagerung von Futter und Einstreu (Brandgefahr durch Selbstentzündung bei frisch eingebrachtem Heu!), Standort von Öl- und Dieseltanks
  • Die Tierrettung sollte möglichst von erfahrenen Personen durchgeführt werden. Befreundete Landwirtinnen und Landwirte können eingebunden werden, die Vorgehensweise muss aber immer mit der Einsatzleitung der Feuerwehr abgesprochen werden. Beim Treiben auf die "Panikzone“ achten, Abstand halten und über die "Bewegungszone“ treiben.

Neue Kenntnisse verbessern Prävention

Im Rahmen des Verbundprojekts REGROBRA wurde untersucht, welchen Stress das "Austreiben“ bei Rindern verursacht und welchen Effekt ein Training für die Evakuierung im Falle eines Brands im Kuhstall hat. Dabei wurden beispielsweise die Rettungswege an das Sehvermögen der Kühe und Tierverhalten angepasst, indem beispielsweise die Gülleabwurfgitter am Stallausgang mit einer Holzplatte mit Gummibelag versehen wurden.

Außerdem wurden die Quer-Laufgänge verschlossen, damit die Rinder in gerader Richtung ausgetrieben werden konnten. Bei einer nächtlichen Evakuierungs-Einsatzübung der örtlichen Feuerwehr wurde zwar die angrenzende Weide ausgeleuchtet, aber darauf geachtet, dass die Kühe beim Austritt nicht direkt geblendet wurden. Die an den Austrieb gewöhnten Kühe verließen den Stall zielgerichteter, zweieinhalb Mal so schnell und blieben besser zusammen.

Wer seinen Stall "mit den Augen des Tieres“ anschaut und Anpassungen vornimmt, kann das Austreiben der Rinder im Ernstfall beschleunigen und Störfaktoren frühzeitig beseitigen. Ein Training, wie es beispielsweise der tägliche Weideaustrieb sein kann, zahlt sich bei einem Brand aus.

Auch wenn nicht jede Landwirtin und jeder Landwirt eine jährliche Nachtübung mit den Kühen vornehmen kann, so lohnt es sich doch eine Ortsbegehung mit der örtlichen Feuerwehr durchzuführen. Mögliche Triebwege und der Notfallsammelplatz können vorbesprochen werden. Ein Ortsbesuch und eine Vorbesprechung helfen umso mehr, wenn in der Feuerwehr keine Personen sind, die Erfahrung im Umgang mit Rindern haben.

Letzte Aktualisierung 20.11.2023

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