Zucht auf LanglebigkeitZucht auf Langlebigkeit

Zucht setzt bei Milchkühen auf Langlebigkeit und Gesundheit

Die Zuchtziele beim Rind haben sich im Laufe der vergangenen Jahre deutlich verändert. Über Jahrzehnte wurde bei einigen Rassen relativ einseitig auf eine hohe Milchleistung gezüchtet. Inzwischen beziehen die Zuchtziele viele Gesundheits- und Fitness-Merkmale mit ein.

Die Züchtung hat neben dem Management der Kühe im landwirtschaftlichen Betrieb einen großen Einfluss darauf, wie lange eine Kuh im Stall bleibt. Die Nutzungsdauer der Kühe der Rasse Holstein Schwarzbunt in Deutschland, die an der Milchleistungsprüfung teilnehmen, betrug laut Bundesverband Rind und Schwein im Jahr 2022 durchschnittlich 38,9 Monate. Die Kühe werden also, wenn man ein Erstkalbealter von durchschnittlich 28 Monaten hinzuzählt, 5,5 Jahre alt. In dieser Zeit geben sie im Mittel 31.895 kg Milch. Bei der Rasse Fleckvieh sind die Zahlen ähnlich: Ihre Nutzungsdauer betrug 2022 39,5 Monate bei einer durchschnittlichen Milchleistung von 26.852 kg. Die Kühe der Rasse Braunvieh wurden mit einer Nutzungsdauer von 47,5 Monaten etwas älter und gaben 30.834 kg Milch.

Längere Nutzungsdauer der Kühe rechnet sich

Die Frage der Nutzungsdauer wird in der Gesellschaft, aber auch bei Landwirten und in der Tierärzteschaft häufig diskutiert. Für eine längere Nutzungsdauer der Kühe sprechen neben den ethischen Fragen auch die betriebswirtschaftlichen Zahlen. Die Aufzucht der Jungtiere kostet Geld und amortisiert sich erst nach mindestens einer Laktation. Zudem erreichen Kühe ihre höchsten Milchleistungen erst frühestens in der dritten Laktation. Es spricht also viel dafür, das Augenmerk in der Zucht noch mehr auf Langlebigkeit, Robustheit und Gesundheit zu richten. Damit findet auch die Lebensleistung einer Kuh stärkere Beachtung, die sich aus der Milchleistung je Laktation und der Nutzungsdauer zusammensetzt.

Viele Kühe verlassen dennoch zu früh den Stall. Die Abgangsgründe sind vielfältig, am häufigsten werden in den Auswertungen Eutererkrankungen und Fruchtbarkeitsprobleme sowie Klauen- und Stoffwechselerkrankungen genannt.

In der gesellschaftlichen Diskussion wird häufig eine Verbindung zwischen den hohen Milchleistungen der Kühe, Krankheiten und einer kurzen Nutzungsdauer hergestellt.

Auch die Bundestierärztekammer nimmt in ihrer Arbeitsgruppe "Tierschutz in der Nutztierhaltung“ zum Thema "Leistungen der Milchkühe und deren Gesundheitsrisiken“ Stellung und spricht von einer Leistungsüberforderung von Milchkühen. Durch die hohe Milchleistung vor allem zu Beginn der Laktation, die nicht durch eine entsprechende Futteraufnahme gedeckt werden kann, kommt es zu einer negativen Energiebilanz in der Frühlaktation. Diese belastet den Stoffwechsel massiv. Ketose, Mastitis, Metritis oder Klauenerkrankungen sind mögliche Folgen. Die Bundestierärztekammer sieht hier einen deutlichen genetischen Zusammenhang durch die über Jahre einseitige Zucht auf Milchleistung.

Was sind Zuchtwerte und wie entstehen sie?

Zuchtwerte geben Auskunft über die zu erwartenden Leistungen von Nachkommen. Die Zuchtwertschätzung erfolgt seit vielen Jahren nicht nur anhand der Leistungs- und Abstammungsinformationen der Elterntiere. Durch genomische Selektion können die Zuchtwerte direkt aus dem Erbgut abgeleitet werden. Hierfür wird genetisches Material des Tieres in Form von Blut, Gewebe oder Haaren in ein Labor geschickt. Bei der so genannten Typisierung werden genetische Marker im Genom der Tiere untersucht, die Aufschluss über verschiedene Leistungsmerkmale geben. Diese Informationen werden in einem Rechenzentrum verarbeitet und so die genomischen Zuchtwerte geschätzt. Zunächst wurden vorwiegend die männlichen Tiere genotypisiert. Heute werden auf vielen Zuchtbetrieben auch genomische Zuchtwerte der Kuhkälber ermittelt.

Gesundheit und Fitness stehen jetzt im Vordergrund

Die Milchleistung spielt bei der Rasse Deutsche Holsteins, zu der die meisten gehaltenen Kühe in Deutschland zählen, im Zuchtwert heute eine untergeordnete Rolle.

Im Gesamtzuchtwert RZG wird bei den Deutsch Holstein seit 2021 die Milchleistung nur noch mit 36 Prozent berücksichtigt.

Fast die Hälfte - mit einer Gewichtung von 49 Prozent -  machen Merkmale rund um die Fitness aus. Hierzu zählen mit je 18 Prozent Gesundheit und Nutzungsdauer, zu sieben Prozent fließt die Fruchtbarkeit mit ein und zu je drei Prozent die Merkmale Kalbeverlauf und Kälberfitness. Mit 15 Prozent wird der Körperbau, der ebenfalls Einfluß auf die Gesundheit hat, im Gesamtzuchtwert bewertet. Der Fokus in der Zucht wird also vermehrt auf Langlebigkeit und Gesundheit der Tiere gelegt.

Zuchtwert für ökologische Rinderhaltung

Die Faktoren Langlebigkeit, Gesundheit und Leistungsfähigkeit sind auch für ökologisch wirtschaftende Milcherzeuger und extensiv wirtschaftende Betriebe wichtige Merkmale. Für die Rasse Deutsche Holsteins gibt es seit August 2023 den ökologisch geprägten Gesamtzuchtwert RZÖko. Der Zuchtwert setzt einen Schwerpunkt auf Merkmale, die in der ökologischen Tierhaltung besonders wichtig sind. So wird die Nutzungsdauer mit 38 Prozent sehr hoch gewichtet, ebenso die direkten Gesundheitsmerkmale mit 21 Prozent. Die Merkmale Körperkondition sind mit fünf Prozent und die Kalbeeigenschaften der Mutter mit drei Prozent gewichtet und ergänzen die funktionalen Merkmale. Die Milchmenge tritt mit sechs Prozent Gewichtung in den Hintergrund. Die Milchinhaltstoffe Eiweiß und Fett werden mit 27 Prozent stärker in den Fokus gerückt.

Schnellere Zuchtfortschritte durch genomische Selektion

Auf Basis der genomischen Selektion können züchterische Entscheidungen sehr viel schneller getroffen werden, denn die Informationen zur genetischen Leistungsfähigkeit des Tieres in den einzelnen Merkmalen liegen direkt nach der Typisierung vor. Seit 2019 gibt es in der deutschen Holsteinzucht direkte genomische Gesundheitszuchtwerte, die auf Basis verschiedener Forschungsprojekte zur Typisierung und zur systematischen Gesundheitsdatenerfassung gewonnen wurden, zum Beispiel im Projekt KuhVision.

Zu den Gesundheitszuchtwerten gehören beispielsweise der RZEuterfit mit Merkmalen zur klinischen und subklinischen Mastitis oder der RZKlaue mit Merkmalen zur Klauenerkrankungen.

Es gibt auch einen Zuchtwert für Nutzungsdauer, RZN, der Hinweise auf die Langlebigkeit des Tieres gibt. Untersuchungen der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern zeigen einen genetischen Zusammenhang zwischen dem Abgangszeitpunkt der Mutter und dem ihrer Töchter. Je länger die Nutzungsdauer der Mütter betrug, desto länger war auch die Nutzungsdauer der Töchter. Zudem hat die Auswertung ergeben, dass Mütter und Töchter ähnliche Abgangsursachen aufwiesen.

Langlebigkeit von Kühen punktet im Betrieb

Im Sinne der Wirtschaftlichkeit, aber auch aus ethischer Sicht sollte das Augenmerk der Milchviehhalterinnen und Milchviehhalter noch mehr auf der Zucht von langlebigen Kühen liegen. Kühe erreichen frühestens in der dritten Laktation ihr volles Leistungsvermögen. Die Zuchtwertschätzung bei den Milchviehrassen legt schon seit vielen Jahren den Fokus auf Gesundheit und Langlebigkeit und die Milchleistung tritt in den Hintergrund. Mit der Einführung der genomischen Zuchtwertschätzung und einer großflächigen Typisierung auch der weiblichen Tiere auf den Betrieben können Züchterinnen und Züchter deutlich schneller Zuchtfortschritte erzielen, denn die Zuchtwerte liegen schon zur Geburt des Kalbes vor. Besonders wertvoll sind sie bei den funktionalen Merkmalen wie beispielsweise der Nutzungsdauer.


Letzte Aktualisierung 10.01.2024

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