Gegenseitiges Besaugen bei Kälbern vermindernGegenseitiges Besaugen bei Kälbern vermindern

So lässt sich Besaugen bei Kälbern vorbeugen

Wenn sich Kälber gegenseitig Besaugen, ist in der Regel das ihr Saugbedürfnis nicht befriedigt. Die Haltungsumwelt anzureichern hilft gegen das Besaugen. Auch die Art der Fütterung hat einen Einfluss.

In der heutigen Milchviehhaltung haben wirtschaftliche und steigende Hygieneanforderungen zu rationalisierten Haltungssystemen in der Kälberhaltung geführt. Meist wird das neugeborene Kalb in den ersten zwei Lebenswochen einzeln gehalten und manuell getränkt - oft nur zweimal täglich. Auch wenn so der errechnete Nährstoffbedarf des Kalbes durch die Milchtränke gedeckt ist, bleibt das Saugbedürfnis des jungen Tieres unbefriedigt. 

Durch die sofortige Trennung von der Mutter und das restriktive Tränken sowie darüberhinaus auch durch die Einschränkung sozialer Kontakte zu anderen Artgenossen können verschiedene Verhaltensweisen und Bedürfnisse der Kälber nicht genügend ausgelebt und somit befriedigt werden. Dazu zählen zum Beispiel Saugen, Spielen oder Komfortverhalten. Dies kann in der Folge zu Verhaltensstörungen wie oralen Stereotypien und gegenseitigem Besaugen in der anschließenden Gruppenhaltung führen. Typische Anzeichen sind auch übersteigertes Belecken von Gegenständen oder Zungenschlagen.

Stressfaktoren und Gegenmaßnahmen zur Linderung

Viele Stressfaktoren in der Kälberhaltung bieten im Umkehrschluss gleichzeitig das Optimierungspotential für die Haltung und sind durch das Management beeinflussbar. Im folgenden sind die wesentlichen Stressfaktoren der Kälber und Maßnahmen zur Reduzierung aufgeführt.

Stressfaktoren für Kälber

Gegenmaßnahmen

Fehlende Sozialkontakte

Frühe Gruppenhaltung

zu hohe Besatzdichte

Besatzdichte reduzieren

fehlende Umweltreize

Anreicherung der Haltungsumwelt

zu kurze Tränkedauer und -menge

Dauer, Häufigkeit und Menge der Tränke erhöhen

fehlende Bewegungsmöglichkeit

höheres Platzangebot

zu wenig Struktur im Futter

Einstreu und Kälberheu ad libitum

nicht angepasste Nährstoffversorgung

ausreichende Nähr- und Mineralstoffzufuhr

Folgen gegenseitigen Besaugens bei Kälbern

Wenn das Saugbedürfnis nicht befriedigt ist, besteht die Motivation zum Saugen weiter und es kann zu sogenanntem umgerichtetem Verhalten kommen. Umgerichtetes Verhalten äußert sich zum Beispiel darin, dass andere Kälber an Ohren, Nabel,  Euteranlage oder Hoden besaugt werden.

Dies ist zum einen für das besaugte Tier mit Leiden, Schmerzen und Schäden wie zum Beispiel Schädigung der Euteranlage oder Nabelentzündungen verbunden. Aber auch das saugende Tier trägt  Leiden, Schmerzen und Schäden davon. Durch das Besaugen eines anderen Tieres sammeln sich im Verdauungstrakt und besonders im Magen Haare, die Klumpen bilden können.

Zur Verhinderung des Besaugens werden Kälber in der Gruppenhaltung darum häufig direkt nach dem Tränken etwa eine Viertelstunde lang fixiert. Diese Maßnahme bekämpft aber nur das Symptom und nicht die Ursache. Die Verbesserung der Haltungsumwelt durch das Anbieten von Beschäftigungsmaterial ist dagegen tiergerecht und beugt dem gegenseitigen Besaugen dauerhaft vor.

    Spiel und Erkundung lässt sich fördern

    Bei neuen Objekten in der Bucht zeigen Kälber, wie alle Jungtiere, ein ausgeprägtes Erkundungs- und Spielverhalten. Nach ausreichendem Anschauen und Beschnuppern wird versucht, das Objekt zu belecken, bekauen oder - wenn verdaulich - zu fressen.

    Auch das Sozialverhalten und die soziale Körperpflege sind für das Tierwohl der Kälber wichtig: In der Natur werden Kälber während des Saugens von der Mutter abgeleckt. In der mutterlosen Aufzucht fehlt diese soziale Körperpflege. Auch dies ist ein Grund dafür, dass sich die Kälber gegenseitig belecken und knabbern auch am Rücken oder in der Hüftregion anderer Kälber.

    Auch scheuern, kratzen und reiben sie sich an geeigneten Gegenständen. Bietet man ihnen zum Beispiel eine Bürste in der Bucht an, beschäftigen sie sich damit etwa 100 Mal am Tag, so eine kanadisch-neuseeländische Studie. Es lohnt sich also, den Tieren Möglichkeiten für die Beschäftigung und für die Körperpflege anzubieten. Es zeigte sich zudem, dass Kälber, die schon früh an Veränderungen in der Haltungsumwelt gewöhnt werden, später als Färsen und als Milchkühe weniger schreckhaft sind und positiver auf neue Reize reagieren. Doch wie sieht gutes Beschäftigungsmaterial aus?

    Checkliste für geeignetes Beschäftigungsmaterial:

    • Das Material kann anorganisch, organisch oder eine Kombination aus beidem sein.
    • Es muss gesundheitlich unbedenklich sein.
    • Es sollte sollte beweglich - z.B. aufgehängt - sein.
    • Veränderbares Material oder solches, welches sich aufbrauchen lässt, ist interessanter.
    • Es kann auch der Nahrungsaufnahme oder der Versorgung mit Mineralien, Spurenelementen oder sekundären Pflanzeninhaltsstoffen dienen.
    • Es ist umso attraktiver, wenn es "erarbeitet“ werden muss und damit selbstbelohnend ist.

    Die Broschüre "Beschäftigungsmaterial für Kälber“ stellt unterschiedliche Beschäftigungsmöglichkeiten für Kälber im Praxiseinsatz kompakt vor und zeigt ihre Anwendungs- und Einsatzmöglichkeiten auf.

    Die Inhalte basieren auf den langjährigen Erfahrungen der Netzwerkteilnehmer zur Optimierung der Gruppenhaltung von Kälbern.

    Das Netzwerk ist der Teil der Modell- und Demonstrationsvorhaben Tierschutz, die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert werden. 

    Download: Beschäftigungsmaterial für Kälber


    Bedeutung der Fütterung hinsichtlich Besaugen

    Die Fütterung, und insbesondere die Sättigung, ist ein wichtiger Hebel bei der Vorbeugung gegen das gegenseitige Besaugens. In der Fütterung junger Kälber gilt die restriktive Milchfütterung mit einer Menge von 10 Prozent des Körpergewichtes inzwischen als überholt.

    Die Fütterungsberatung empfiehlt heute, den Kälbern mindestens 8 bis 10 oder 12 Liter Milch oder Milchaustauscher zu geben. Bei einer ad-libitum-Fütterung mit Milch oder Milchaustauscher trinken Kälber etwa 20 Prozent ihres Körpergewichtes pro Tag.

    Kälber, die vom ersten Tag an mit hohen Milchmengen gefüttert werden, wachsen besser, sind satt und besaugen ihre Artgenossen kaum oder gar nicht. Auch die Länge der Tränkemahlzeit beeinflusst den Drang nach gegenseitigem Besaugen. Nach der Kolostrumphase empfiehlt es sich daher, einen schwergängigeren Nuckel mit einer verminderten Durchflussrate zu verwenden.

    Bei automatischen Tränkesystemen kann es vorkommen, dass die Kälber sich gegenseitig besaugen, obwohl das System auf ad libitum eingestellt ist. Dies könnte daher kommen, dass die einzelnen Mahlzeiten zu klein und zu kurz sind, so dass die Kälber nach dem Trinken noch Hunger verspüren und zum Saugen motiviert sind.

    Das Alter der Gruppe sollte daher möglichst gleichmäßig sein und die Gruppengröße nicht zu groß gewählt werden, damit alle Kälber ausreichend Zugang zur Kälbertränke haben und kein Konkurrenzkampf entsteht und schwächere Kälber abgedrängt werden. Gute Erfahrungen gibt es auch mit zusätzlichen Nuckeln, die sozusagen als Schnuller fungieren. Und inzwischen gibt es auch Kälberstarterbehälter in Flaschenform mit einer Art Nuckel als Dosierer.

    Gegenseitiges Besaugen lässt sich steuern

    Haltungsumwelten, die möglichst abwechlungsreiche Beschäftigungen bieten, ausreichende Fütterungsmengen und geeignete Fütterungstechniken sind wirksame Hebel, um Stereotypien wie dem gegenseitige Besaugen der Kälbern in der Gruppenhaltung entgegenzuwirken. 

    Die Beschäftigungsmaterialien müssen dabei sowohl attraktiv für die Kälber sein, als auch hygienischen Anforderungen genügen.  Sie müssen gleichzeitig arbeitswirtschaftlich umsetzbar, sowie haltbar und bezahlbar sein.


    Letzte Aktualisierung 15.03.2024

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