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Es kann so einfach sein: Ein kleiner Pieks und schon ist es vorbei mit der Männlichkeit und dem unangenehmen Geruch. Doch ganz so einfach ist sie nicht, die Impfmethode mit dem Mittel Improvac zur Vermeidung von Ebergeruch. Aber Landwirt Christian Hain (37) schätzt die Vorteile gegenüber dem operativen Entfernen der Hoden oder der klassischen Ebermast. Doch der Reihe nach.
Creglingen ist ein kleiner Ort im nördlichen Baden-Württemberg, nur eine halbe Stunde südlich von Würzburg. Die Landwirtschaft in der Gegend hat sich wie vielerorts stark verändert, die traditionellen Gemischtbetriebe haben sich gewandelt. So auch der von Familie Hain. Auch wenn heute neben den 100 Hektar Ackerbau noch 35 Milchkühe gehalten werden, hat sich der Betrieb nach und nach auf die Schweinehaltung spezialisiert. Immer wieder wurde gebaut, zuletzt 2014. Heute werden 180 Sauen mit 1584 Mastplätzen im geschlossenen System gehalten.
Christian Hain, der nach Ausbildung und Technikerschule 2004 in den elterlichen Betrieb eingestiegen ist, sagt von sich, dass er den Umgang mit Schweinen mag - und offenbar auch ein Händchen für die intelligenten Nutztiere hat. Und doch wollte er etwas anders machen. Da kam im Jahr 2015 die Anfrage über die "UEG Erzeugergemeinschaft Hohenlohe-Franken" gerade recht, die für das Gutfleisch-Programm von Edeka noch Musterbetriebe suchte, die nicht mehr betäubungslos kastrieren. Zuvor hatte Hain bereits aus Eigeninteresse 120 Eber (Danzucht x Pietrain) ausgemästet. "Ich habe damit keine schlechten Erfahrungen gemacht, die Tiere waren ruhig und es gab kaum Verletzungen", erinnert er sich. Seine Hauptsorge war allerdings, dass er die Tiere schlechter oder nur mit Abschlägen vermarkten kann.
Die Anfrage von Edeka stieß bei Christian Hain auf offene Ohren, da er einerseits wusste, dass der Verzicht aufs Kastrieren funktioniert und jetzt zudem der Absatz gesichert war. Wenngleich Hain klarstellt: "Es ist nach wie vor ein Versuch." Unterstützung gab es auch von seinem Vater Willi, der bis 2015 die meiste Kastrationsarbeit erledigte und den neuen Weg, den sein Sohn einschlug, begrüßte.
Mit dem Thema Immunokastration hatte sich Christian Hain bis dato nicht auseinandergesetzt. In einer Schulung von Zoetis - dem Hersteller des Impfstoffes Improvac - sowie einer verpflichtenden Sicherheitsbelehrung lernte er gemeinsam mit einer Gruppe interessierter Berufskollegen alles, was man zur Immunokastration wissen muss. Und startete im Stall gleich durch. In einer ersten Testgruppe wurde je die Hälfte der Tiere buchtenweise geimpft, die anderen nicht. "Die ungeimpften Tiere balgten sich etwas mehr und verletzten sich auch dabei, sodass wir da mehr Verluste hatten, vor allem Wundinfektionen durch Streptokokken", sagt Hain. Daher entschied er sich grundsätzlich alle männlichen Tiere zu behandeln.
Nach dem Absetzen von der Sau werden die Tiere mit etwa siebeneinhalb bis acht Kilogramm umgestallt zu Gruppen je 22 Tiere. Bei der Erstbehandlung der Ferkel, bei der beispielsweise Eisen gespritzt wird, werden auch die Ohrmarken gesetzt: links bei den Sauferkeln, rechts bei den Ebern. Das erleichtert das spätere Impfen ungemein, da die Tiere besser identifiziert werden können. Denn Hain stallt seine Tiere in der Regel gemischtgeschlechtlich auf - so, wie sie auch aus dem Flatdeck kommen. "Sauen und Eber haben ein anderes Fressverhalten, die Zunahmen in der Gesamtgruppe sind besser als bei getrennter Aufstallung. Außerdem könnten wir bei unserem Fütterungssystem die Tiere auch gar nicht mit separaten Rationen füttern."
Mit 14 Wochen bzw. einem Lebendgewicht von 35 bis 45 kg werden die Tiere zum ersten Mal, mit rund 80 kg bzw. sechs bis acht Wochen vor dem Verkauf ein zweites Mal geimpft. Sollte ein Tier wider Erwarten zehn Wochen nach der zweiten Impfung nicht verkauft worden sein, muss es ein drittes Mal geimpft werden, um den Ebergeruch sicher auszuschließen. Wartezeit für den menschlichen Verzehr gibt es übrigens nicht. Fleisch von einem am Vortag geimpften Schwein könnte schon am Folgetag unbedenklich verzehrt werden.
Für die Impfung benutzt Hain eine Sicherheitspistole - "die ist idiotensicher", so Hain - bei der das versehentliche Stechen des Anwenders nahezu ausgeschlossen wird. Es sei denn, es geschieht regelrecht mit Vorsatz: Denn erst wenn die Pistole auf einem Widerstand bietenden Untergrund gedrückt wird, lässt sich der Pistolengriff und damit das eigentliche Ausfahren der Nadel betätigen.
Beim ersten Impfvorgang nutzt Hain eine 16 mm, beim zweiten Mal eine 19 mm lange Injektionsnadel, um den Impfstoff durch die Speckschicht hinterm Ohr zu injizieren. Jedes geimpfte Tier wird sofort mit einem Viehmarker gekennzeichnet. "Die kleinen Tiere sind wesentlich agiler und laufen eher weg, deshalb schaffe ich da weniger", sagt Hain. Rund 150 Tiere pro Stunde im ersten, etwa 180 Tiere pro Stunde im zweiten Durchgang können seiner Erfahrung nach geimpft werden. Die Kosten von etwa fünf Euro pro männlichem Tier und Impfung (Arbeitszeit plus Impfstoff) werden derzeit noch von Edeka übernommen. "Ich brauche dafür keinen Tierarzt und bin zeitlich halbwegs flexibel, sodass ich immer mal ein, zwei Stunden in den Stall gehen und impfen kann, wenn es gerade passt", beschreibt Hain einen Vorteil des Verfahrens.
Im Spätwinter 2016 konnten die ersten immunokastrierten Tiere vermarktet werden. "Negative Rückmeldungen gab es keine, sodass ich davon ausgehe, dass alles in Ordnung war", sagt Hain. Von anfangs 20 Betrieben, die bei dem Versuch mitgemacht haben, sind nur noch sein Betrieb und ein weiterer Betrieb übriggeblieben. Ein Grund sei, dass es für einen klassischen Mäster ohne eigene Ferkelerzeugung bei der Immunokastration immer eine Mehrarbeit gebe gegenüber dem Bezug von bereits kastrierten Ferkeln. Diese Mehrarbeit müsse auch geleistet werden können.
Hain, dessen Betrieb mittlerweile bei der Initiative Tierwohl mitmacht, ist optimistisch, dass die Immunokastration der richtige Weg für seinen Betrieb ist, zumal Edeka und Rewe angekündigt haben, diesen Weg im Rahmen ihres wachsenden Frischfleischgeschäftes weiter auszubauen. Von seinen 4500 abgelieferten immunokastrierten Ebern waren nur drei auffällig: "Bei einem war die Impfung zu lange her, einen habe ich wohl übersehen und bei einem dritten wissen wir es nicht genau. Diese Quote kann sich sehen lassen, weshalb ich weiter an das Impfen glaube."
Letzte Aktualisierung 16.07.2024