Einstieg in die DirektvermarktungEinstieg in die Direktvermarktung

Direktvermarktung von Fleisch und Wurst

Niedrige Erzeugerpreise und die zunehmende Abhängigkeit von den großen Abnehmern lassen immer mehr Mastbetriebe über eine Direktvermarktung nachdenken. Regional erzeugte Produkte sind gefragt – die Zeit für den Einstieg ist günstig. Was gilt es hier zu beachten?

Verschiedene Untersuchungen der letzten Jahre zeigen, dass das Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher an regional erzeugten Lebensmitteln zunimmt. Zahlen dazu gibt es vom Meinungsforschungsinstitut YouGov, das im November 2020 eine repräsentative Umfrage im Auftrag des nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministeriums durchgeführt hat. Danach ist mehr als drei Viertel aller befragten Verbraucherinnen und Verbraucher der Konsum von regionalen Lebensmitteln wichtig oder sehr wichtig. Fleisch steht bei den Befragten dabei ganz weit oben, direkt nach Gemüse und Obst.

Eine andere Studie der Universität Kassel aus dem Jahr 2016 legte offen, dass Konsumentinnen und Konsumenten insbesondere bei tierischen Erzeugnissen ein sehr viel größeres Vertrauen in regionale Anbieter als in überregionale oder solche aus dem Ausland haben. Laut Studie sind sie daher bereit, dafür mehr Geld auszugeben – vor allem dann, wenn die Haltung besonders tiergerecht ist.

Die Ergebnisse solcher Studien lassen immer mehr landwirtschaftliche Erzeugerinnen und Erzeuger darüber nachdenken, ihr Fleisch zukünftig direkt zu vermarkten. Der Schritt sollte jedoch wohl überlegt sein.

Welche Voraussetzungen sollte man für die Direktvermarktung mitbringen?

Wer seine landwirtschaftlichen Produkte erfolgreich vermarkten möchte, sollte eine gewisse Kommunikationsfähigkeit und Freude am Umgang mit Menschen mitbringen. Unabdingbar ist auch, dass man von seinem eigenen Produkt absolut überzeugt ist.

Für die selbstständige Vermarktung der eigenen Fleisch- und Wurstwaren sind außerdem zusätzliche zeitliche Kapazitäten erforderlich. Wie viel, hängt davon ab, wie intensiv man diesen neuen Betriebszweig betreiben möchte: Will man "nur" ein paar Fleischpakete per Abholung ab Hof oder im hofeigenen Selbstbedienungsautomaten anbieten, oder einen richtigen Hofladen oder Marktstand betreiben? Überlässt man das Schlachten und Zerlegen außerbetrieblichen Fleischereien oder will man selbst aktiv werden?

Hier ist es wichtig, frühzeitig zu prüfen, welche Arbeiten im Rahmen der eigenen (familiären) Arbeitszeit zu bewältigen sind. Sind die Arbeitszeitreserven beschränkt, muss man entweder mehr Arbeitsschritte an andere Betriebe auslagern, oder die Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter in Erwägung ziehen. Letzteres erfordert wiederum eine gewisse Fähigkeit in der Mitarbeiterführung.

Im Vorfeld zu prüfen ist unbedingt auch, welche fachlichen Qualifikationen und Stärken in der eigenen Familie liegen und welche man eventuell abgeben oder einkaufen muss. Dies betrifft vor allem die Schlachtung und Verarbeitung des Fleisches – wenn man diese selbstständig durchführen möchte –, aber auch Verkauf, Werbung und Finanzen.

Den Markt analysieren

Sind die innerbetrieblichen Voraussetzungen für die Direktvermarktung gegeben, sollte eine Marktanalyse vorgenommen werden, um den potenziellen Absatz in der betreffenden Region realistisch einschätzen zu können. Dabei sind folgende Fragen zu klären: Wie viele Einwohner gibt es im Umkreis des Hofes? Gibt es schon andere fleischvermarktende Betriebe in der Gegend und wenn ja, was bieten diese an und wie weit liegen diese vom eigenen Hof entfernt?

Grundsätzlich ist die Existenz anderer Anbieterinnen und Anbieter noch kein Hinderungsgrund. Ob das eigene Produkt Absatz findet oder nicht, hängt dann aber umso mehr davon ab, welche vermarkterischen Fähigkeiten man an den Tag legt und welche Alleinstellungsmerkmale man mit seinen Produkten anzubieten hat. Alleinstellungsmerkmale könnten neben einer ökologischen und besonders tiergerechten Haltung zum Beispiel auch Fleisch von gefährdeten Nutztierrassen, die Weidehaltung von Schweinen oder besondere Formen der stressfreien Tötung – wie zum Beispiel Weideschuss – sein. Aber auch das sehr lange Abhängen des Rindfleisches – das sogenannte Dry Aging –  oder ganz besondere Schnittführungen können für Kundinnen und Kunden das überzeugende Argument sein, beim Direktvermarkter einzukaufen.

Auch die Art und Weise, wie man vermarktet, kann erfolgsbestimmend sein. Ist man zum Beispiel bereit und in der Lage, den Kundinnen und Kunden einen schönen Laden auf dem eigenen Hof anzubieten, wo sie sich vom Wohl der gehaltenen Tiere selbst ein Bild machen können? Dann reicht es in der Regel nicht aus, wenn nur die eigenen Fleischerzeugnisse in der Theke liegen. Oder will man wöchentlich mit einem Verkaufsstand auf den örtlichen Wochenmarkt fahren? Dort kann die Konkurrenz mitunter sehr groß sein. Vielleicht sind aber auch alternative Vermarktungsmodelle wie Verkaufsautomaten, Online-Handel, Marktschwärmereien, Foodcoops oder Solidarische Landwirtschaft für manche Betriebe die bessere Option.

Selber schlachten oder schlachten lassen?

Für die meisten Betriebe empfiehlt es sich anfangs, das Schlachten der Tiere sowie das Zerlegen und Verpacken des Fleisches an andere Betriebe in der Region auszulagern. Das hält einerseits die Kosten klein, denn man muss nicht in den aufwändigen (Um-)Bau von Räumlichkeiten für die Verarbeitung der hygienisch sehr anspruchsvollen Produktgruppe Fleisch investieren. Außerdem benötigt man kein zusätzliches Personal mit entsprechenden Qualifikationen und Nachweisen für die Schlachtung und das Zerlegen der Tiere. Für den Anfang reicht ein einfacher Raum, in dem man das Fleisch kühlt und an den Kunden abgibt.

Diese Vorgehensweise setzt allerdings voraus, dass man in der näheren Umgebung ansässige Landschlachtereien mit freien Kapazitäten findet. Im Geflügelbereich, wo dies mitunter sehr schwierig ist, setzt sich daher die Schlachtung mithilfe mobiler Schlachteinheiten zunehmend durch. In einigen Bundesländern können solche Schlachteinheiten inzwischen mit oder ohne fachkundigem Personal gemietet werden. Auch der Zusammenschluss mit anderen Direktvermarktern in der Region kann eine Lösung sein: Auf diese Weise kann man sich den Aufwand und die Kosten für die Einrichtung einer Schlacht- und Zerlegestätte teilen.

Gewerbe oder nicht?

Für landwirtschaftliche Betriebe, die ausschließlich landwirtschaftliche Produkte der ersten Verarbeitungsstufe vermarkten, ist eine Gewerbeanmeldung grundsätzlich nicht notwendig. Die erste Verarbeitungsstufe endet bei tierischen Schlachterzeugnissen allerdings bereits nach der Zerlegung in Viertel bei Rindern sowie in Hälften bei Schweinen, Schafen und Ziegen. Bei Hühnern endet sie sogar schon beim ganzen getöteten Tier (ohne Kopf). Wird das Fleisch weiter zerlegt, zählt es zur zweiten, und damit gewerblichen Verarbeitungsstufe. Für den Verkauf solcher Produkte ist eine Gewerbeanmeldung nötig – egal, ob das Zerlegen und Verpacken von einer externen Fleischerei oder auf dem eigenen Betrieb vorgenommen wurde. Außerdem unterliegen diese Produkte der regulären Umsatzbesteuerung von Lebensmitteln.

Schlachtung und Zerlegung auf dem eigenen Betrieb

Wer die komplette Prozesskette vom Schlachten über das Zerlegen bis zum Verpacken auf den eigenen Betrieb verlagert, kann sicher die größte Gewinnmarge erzielen. Aufwändige Investitionen sind dann aber nicht mehr zu umgehen. Selbstschlachtende Direktvermarkter brauchen auch eine entsprechende Zulassung für das Schlachten und Zerlegen (Meisterprüfung, Eintragung in die Handwerksrolle), außerdem müssen zahlreiche bauliche und hygienische Bestimmungen erfüllt werden.

Diesen Schritt sollte man also erst dann gehen, wenn man sich sicher sein kann, die eigenen Fleisch- und Wursterzeugnisse auch sicher vermarkten zu können. Sinnvoll ist dieser Schritt natürlich auch dann, wenn man Fleischerinnen oder Fleischer in der eigenen Familie hat.

Hygiene ist das A und O

Ob man nun die gesamte Prozesskette vom Schlachten bis zum Verpacken auf dem eigenen Betrieb erledigt, oder nur den Verkauf: In jedem Fall sind die vorgeschriebenen Hygienevorschriften einzuhalten. Hierzu zählen die Bereiche Betriebshygiene, Prozesshygiene und die Personalhygiene. Diese müssen regelmäßig durch betriebseigene Kontrollen überprüft und ausreichend dokumentiert werden. Bei selbstschlachtenden Betrieben ist dieser Aufwand natürlich wesentlich höher als bei solchen, die nur die verpackte Ware verkaufen.

Gute und ausführliche Informationen zum Thema gibt es in der "Hygieneleitlinie für Direktvermarkter" (PDF) des Deutschen Bauernverbands.

Ohne Formalitäten geht es nicht

Wer Fleisch vermarkten möchte, hat mit verschiedenen Behörden und Dienstleistern zu tun. Dazu gehören unter anderem das Veterinäramt, das Gesundheitsamt, das Ordnungsamt und die Berufsgenossenschaft. Beim Eichamt muss zudem eine Verkaufswaage angemeldet werden und mit dem Steuerberater sollte frühzeitig geklärt werden, wie man die neuen Einnahmen ordnungsgemäß verbucht. Soll ein landwirtschaftliches Gebäude einem anderen Verwendungszweck – zum Beispiel als Verarbeitungsraum – zugeführt werden, ist beim zuständigen Bauamt die Umnutzung zu beantragen.

Seit 2019 ist außerdem das neue Verpackungsgesetz in Kraft. Damit gilt: Wer verpackte Ware in Verkehr bringt, muss sich bei der "Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister" registrieren. Diese Pflicht gilt für alle – unabhängig von der Größe des Betriebs und der vermarkteten Menge.

Beratungsangebot wahrnehmen

Landwirtschaftliche Betriebe mit dem Wunsch zur Direktvermarktung sollten in jedem Fall eine ausführliche Beratung in Anspruch nehmen. Diese wird heute in nahezu jedem Bundesland über entsprechende Einrichtungen angeboten. Eine Auswahl für einige Bundesländer finden Sie im Folgenden:

Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen bietet zu dem Thema auch Web-Seminare an.

In Bayern werden vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zahlreiche Qualifizierungsmaßnahmen angeboten, unter anderem zum Thema Direktvermarktung:

Halter von gefährdeten Nutztierrassen finden Ratschläge in der 2020 veröffentlichten Studie Vermarktungskonzepte für Produkte gefährdeter Nutztierrassen, von der Universität Witzenhausen und der Gesellschaft für gefährdete Nutztierrassen (GEH).

Wer über Alternativen wie Marktschwärmer oder Solidarische Landwirtschaft nachdenkt, findet erste Informationen auf den folgenden Seiten:

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