Die Befürchtungen der Borchert-Kommission, die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung müssten – anders als bei der Verbrauchssteuer – nicht zwangsläufig zweckgebunden für den Umbau der Tierhaltung verwendet werden, konnten die Gutachter zerstreuen. Es ließe sich ordnungsrechtlich regeln, dass dieses Geld ausschließlich der Verbesserung des Tierwohls zugutekomme. Auch die Sorge, dass die Mehrwertsteuer aufgrund eines vorgegebenen Verteilschlüssels den Ländern mit viel Tierhaltung nur unzureichend zugutekäme, ist aus Sicht der Gutachter unnötig. Auch hier gäbe es gesetzgeberischen Spielraum für eine gerechte Verteilung der Gelder.
Insbesondere wegen des erheblich geringeren Verwaltungsaufwands geben die Verfasser der Machbarkeitsstudie daher der Mehrwertsteuererhöhung den Vorzug.
Benachteiligung anderer EU-Mitgliedsstaaten
Ein Kernproblem sehen die Gutachter aber vor allem darin, dass sowohl die Verbrauchssteuer als auch die Mehrwertsteueranhebung für tierische Produkte EU-rechtlich als "diskriminierende inländische Steuer" gewertet werden könnten. Denn die Steuern würden ja nicht nur auf deutsche Erzeugnisse erhoben, sondern auch auf solche aus anderen Mitgliedsländern. Deren Erzeugerinnen und Erzeuger könnten aber nicht an der deutschen Tierwohlförderung partizipieren.
Umgehen ließe sich dieses Problem aus Sicht der Gutachter, wenn die Mehrwertsteueranhebung nicht allein auf tierische Produkte bezogen würde, sondern auf alle Lebensmittel. In diesem Fall wäre auch keine Anhebung auf den Normsatz von 19 Prozent nötig. Bereits eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes auf knapp unter zehn Prozent würde ausreichen, um die Gesamtkosten des Umbaus der Tierhaltung zu decken. Ungerecht wäre diese Form der Steuererhöhung allerdings für jene, die wenig oder gar keine tierischen Produkte konsumieren.
Machbarkeitsstudie schlägt Tierwohl-Soli vor
Neben den genannten Steuern kommt für das Gutachterteam noch eine, von der Borchert-Kommission bislang nicht in Betracht gezogene, "Ergänzungsabgabe Tierwohl" auf die Einkommenssteuer infrage. Ähnlich wie der Solidaritätszuschlag würde diese, auch als "Tierwohl-Soli" bezeichnete Abgabe als Ergänzung zur Einkommenssteuer eingezogen. Der Verwaltungskostenaufwand wäre laut Machbarkeitsstudie "moderat". Und weil der Tierwohl-Soli nicht am Verbrauch gemessen würde, wirke diese Steuer auch nicht diskriminierend auf andere Mitgliedsländer der EU. Ungerecht wäre diese Ergänzungsabgabe allerdings wieder für jene, die wenig oder keine tierischen Erzeugnisse konsumieren. Denn hierbei würde jeder Bundesbürger unabhängig vom Verbrauch zur Kasse gebeten.
Ohne sozialen Ausgleich geht es nicht
Werden die geplanten Fördermaßnahmen über eine Abgabe auf tierische Nahrungsmittel finanziert, führe dies aus Sicht der Gutachter zu einer Mehrbelastung für Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich insbesondere auf Angehörige niedrigerer Einkommensgruppen auswirke. Die Gutachter raten daher – ebenso wie das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung – die geplanten Maßnahmen sozial zu flankieren, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze oder die Absenkung der Einkommensteuer in niedrigen Einkommensgruppen. Im Falle des Tierwohl-Solis könne man die steuerliche Mehrbelastung für untere Einkommensgruppen über entsprechende Staffelungen anpassen.
Landwirtschaftliche Fachverbände unterstützen Borchert-Pläne
Die meisten Interessenverbände der Agrarbranche stehen hinter den Plänen der Borchert-Kommission. So fordern zum Beispiel der Deutsche Bauernverband und der Deutsche Raiffeisenverband die Bundesregierung auf, die Vorschläge zügig umzusetzen und nach Möglichkeit noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Doch es gibt auch Verbände die sich dagegen aussprechen, wie die Initiative "Land schafft Verbindung" oder der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. Sie befürchten, dass dadurch noch größere Abhängigkeiten von staatlichen Zuwendungen entstünden. Außerdem glauben sie, dass von den erhobenen Fördermitteln zu wenig direkt bei den Tierhalterinnen und Tierhaltern ankomme.
Bundesrat fordert rasche Umsetzung
Der Bundesrat hat sich am 5. März – drei Tage nach Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie – mehrheitlich für einen "Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung mit einer stärkeren ökologischen und tiergerechten Ausrichtung" ausgesprochen. Laut Beschluss der Länderkammer soll die Bundesregierung nun zeitnah konkrete Schritte zu Umsetzung der Borchert-Empfehlungen einleiten. Sie fordert, dass noch in dieser Legislaturperiode schlüssige Konzepte dazu vorgelegt werden.
Laut Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner geht es jetzt nicht mehr um das 'Ob', sondern um das 'Wie'. "Es liegen nun mehrere, rechtlich geprüfte Vorschläge auf dem Tisch, wie wir die Tierhaltung in Deutschland umbauen und finanzieren können", so Klöckner in einer BMEL-Pressemitteilung. Sie wolle daher nun mit anderen Parteien Gespräche führen, welche Vorschläge umgesetzt werden können. Dass es noch in der laufenden Legislaturperiode zu verbindlichen Entscheidungen kommt, sei jedoch unwahrscheinlich.