Wir verwenden Cookies, um Ihnen die optimale Nutzung unserer Webseite zu ermöglichen. Es werden für den Betrieb der Seite nur notwendige Cookies gesetzt. Details in unserer Datenschutzerklärung.
Damit das Eberfleisch auf dem Markt eine Chance hat, muss es von Lebensmitteleinzelhandel und Verbraucher akzeptiert werden. Durch geeignete Verarbeitung kann Ebergeruch in Produkten maskiert werden.
Noch immer lässt sich Eberfleisch in Deutschland schwerer vermarkten als Fleisch von Sauen und Kastraten. Das liegt unter anderem an seiner Qualität, insbesondere an der Zusammensetzung des Fettes, die eine Verarbeitung des Fleisches erschwert. Dazu kommt der typische Geruch, der manchen Eberfleischprodukten anhaftet. Zwar kann der unerwünschte Ebergeruch durch verschiedene technologische Verfahren bei der Fleischverarbeitung überdeckt werden. Doch viele Fleischereien und Fleischwarenbetriebe lehnen eine Maskierung ab. Wenn Eberfleisch eine Chance auf dem Markt haben soll, müssen deshalb zuverlässige Lösungen für die Verarbeitung entwickelt werden, die eine gleichbleibende Produktqualität sichern. Verschiedene Forschungseinrichtungen in Deutschland und Europa widmen sich dieser Thematik.
Die Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren aus Eberfleisch wird insbesondere durch die besondere Zusammensetzung des subkutanen Fettes (Rückenspeck) erschwert. Dieses enthält bei Ebern einen höheren Anteil an ungesättigten Fettsäuren und weist dadurch eine geringe Oxidationsstabilität auf (siehe Tabelle 1). Das Muskelgewebe von Ebern ist weicher als das von Sauen und Kastraten und ihr Fettgewebe besitzt eine schmalzige Textur. Vor allem bei der Herstellung von Wurstwaren aus Eberfleischprodukten sind deshalb Anpassungen im Verarbeitungsprozess notwendig, die die geringere Oxidationsstabilität des Fettes berücksichtigen und die für die Produktionsprozesse notwendigen Eigenschaften (Textur, pH-Wert, Wasserbindungskapazität, Emulgiervermögen) sicherstellen.
Fettsäuren, Gehalt in Prozent | Eber | Sau | Kastrat |
---|---|---|---|
Gesättigte Fettsäuren | 42,76 | 44,04 | 44,48 |
Palmitinsäure | 26,27 | 27,02 | 27,36 |
Stearinsäure | 13,9 | 14,64 | 14,7 |
Ungesättigte Fettsäuren | 57,25 | 55,97 | 55,53 |
Einfach ungesättigte Fettsäuren | 41,61 | 42,92 | 43,12 |
Palmitoleinsäure | 2,29 | 2,17 | 2,2 |
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren | 15,64 | 13,05 | 12,41 |
Omega-3-Fettsäuren | 1,10 | 0,95 | 0,91 |
Alpha-Linolensäure | 1,08 | 0,92 | 0,88 |
Omega-6-Fettsäuren | 13,86 | 11,55 | 10,93 |
Linolsäure | 13,54 | 11,29 | 10,67 |
Gamma-Linolensäure | 0,16 | 0,12 | 0,12 |
Eicosadiensäure | 0,58 | 0,47 | 0,49 |
Omega-9-Fettsäuren | |||
Ölsäure | 37,9 | 39,46 | 39,56 |
Quelle: Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (2015) |
Der für Eber typische Geruch ist vor allem durch das Geschlechtspheromon Androstenon und durch das im Dickdarm der Eber gebildete Skatol bedingt. Beide Stoffe werden in das Fettgewebe der Eber eingelagert und können bei der Zubereitung, insbesondere beim Erwärmen des Fleisches, zu einem urin- oder fäkalartigen Geruch und Geschmack führen. Deshalb wird daran geforscht, wie eventuelle Geruchsabweichungen mit Hilfe spezieller Verarbeitungstechniken überdeckt werden können. Für das Maskieren des Ebergeruchs scheinen sich Gewürze und Marinaden ebenso zu eignen wie das Erhitzen oder Räuchern des Fleisches (oder auch die Kombination aus mehreren Methoden).
Viele Gewürze besitzen maskierende Fähigkeiten. Sie enthalten ätherische Öle, die so starke Düfte entfalten, dass sie den Ebergeruch überdecken können. Zu diesen duftenden Gewürzen zählen Koriander, Majoran, Muskat, Oregano, Rosmarin, Salbei oder Senf. Auch Marinaden aus Sauerkraut oder Hagebuttenmus sollen Gerüche maskieren können: Die im Sauerkraut enthaltenen Milchsäurebakterien bauen Kohlenhydrate zu Milchsäure ab, die das Fleisch säuert und so die Wahrnehmbarkeit von Ebergeruch senkt. Bei Hagebutten sorgt der hohe Vitamin-C-Gehalt dafür, dass Eberfleisch nicht so schnell ranzig schmeckt, da Vitamin C antioxidative Eigenschaften besitzt.
Grundsätzlich erhöht das Erhitzen die Wahrnehmungsfähigkeit der Ebergeruchsstoffe Androstenon und Skatol. Deshalb wird Ebergeruch besonders oft wahrgenommen, wenn Produkte warm verzehrt werden. Doch die Geruchsstoffe – vor allem Skatol – zerfallen auch beim Erwärmen. Vorab erhitzte Fleischwaren, die kalt verzehrt werden, können somit auch aus Eberfleisch hergestellt werden.
Auch mit Hilfe des Räucherns gelingt es, den Geruch und Geschmack von Eberfleisch so zu verändern, dass eventuelle unangenehme Geruchsabweichungen maskiert werden.
Sowohl die handwerklichen Fleischereien als auch die Fleischwarenindustrie schätzen die Chancen von Eberfleisch auf dem Markt als deutlich begrenzt ein. Die Unternehmen befürchten erhebliche sensorische Abweichungen. Die Kunden kauften Schweinefleisch, ohne zu unterscheiden, ob es von Eber, Sau oder Kastrat stammt und sie erwarteten dabei einwandfreie Qualität, betonen berufsständische Vertreter. Wenn geruchsbelastetes Fleisch nicht erkannt werde, sei nicht ausgeschlossen, dass die Akzeptanz von Schweinefleisch insgesamt leide.
Gerade für die handwerklichen Fleischereien sei die einwandfreie Qualität der angebotenen Ware die Grundlage ihrer Existenz. Zudem eigne sich Eberfleisch technologisch nicht für alle Produkte. Auch die Maskierung des Ebergeruchs durch Rauch und Gewürze sei aus Sicht der fleischverarbeitenden Unternehmen technologisch nicht befriedigend möglich und werde von den Unternehmen grundsätzlich abgelehnt. Unabhängig davon entstünden durch solche Überlagerungen womöglich völlig neue oder andersartige Produkte, deren Akzeptanz durch den Verbraucher nicht gesichert sei.
Weil es aus ethischen und ökonomischen Gründen geboten ist, alle geschlachteten Tiere für die menschliche Ernährung vollständig und wertschöpfend zu verwenden, wird nach Verarbeitungsstrategien gesucht, die geeignet sind, eine gleichbleibende Produktqualität sicherzustellen und das Eberfleisch als Lebensmittel zu verwenden.
So entwickelten Wissenschaftler der Hochschule Anhalt ein Verfahren zur Fleischverarbeitung (eine Kombination aus Räuchern, thermischer Behandlung und Gewürzen), mit dem sich unerwünschter Ebergeruch auch bei der Herstellung von Bioprodukten maskieren lässt. Als wirkungsvoll für die Herstellung von Hackfleisch- und Schweineschmalzkonserven stellte sich das Erhitzen des Fleisches auf 120 Grad Celsius in Kombination mit dem Würzen mit Oregano, Rosmarin oder Salbei heraus. Bei der Erzeugung von Schinken und Speck ergaben sich Maskierungseffekte, wenn das Produkt auf 85 Grad Celsius erhitzt, geräuchert und mit Oregano, Rosmarin und Salbei gewürzt wurde. Bei einer Verarbeitungstemperatur von 20 Grad Celsius wirkten Raucharoma (Schinkenherstellung) und Salbei (Speckherstellung) geruchsüberdeckend.
Dass die richtige Kombination von Gewürzen und Verarbeitungsschritten entscheidend ist, bestätigte die sensorische Bewertung. Bei unabhängigen Prüfern schnitt geräucherte, mit Muskat gewürzte Fleischwurst besonders gut ab. Auch verschiedene Schinken- und Leberwurstvarianten wurden durchweg positiv bewertet. Bei den Versuchen der Hochschule Anhalt zeigte sich allerdings auch, dass die getesteten Wurstproben kalt verzehrt weniger geruchsauffällig waren als bei warmem Verzehr.
In einem anderen Projekt untersuchten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Göttingen, Trenthorst und Köthen verschiedene Gewürze und Rauch zur Maskierung des Ebergeruchs und variierten den Anteil des geruchsbelasteten Eberfleischs bei der Herstellung von Frankfurter Würstchen. Ziel war es, eine Mischung zu finden, die ähnlich akzeptiert wird wie eine Referenz ohne geruchsauffälliges Eberfleisch. Die Produkte wurden in zwei unabhängigen Konsumentenstudien verkostet und bewertet. Dabei stellte sich heraus, dass eine Verarbeitung von stark geruchsauffälligem Eberfleisch zu schmackhaften Wurstwaren dann gelingt, wenn sein Anteil an der verarbeiteten Wurstmasse maximal 30 Prozent beträgt.
Weitere wissenschaftliche Untersuchungen beschäftigen sich mit der für einen Maskierungseffekt notwendigen Dauer des Räucherns. Dänische Forscher kommen hier zu dem Ergebnis, dass Eberfleisch mit hohen Konzentrationen an Androstenon und Skatol mindestens 60 Minuten geräuchert werden muss, damit unangenehme Gerüche sicher überdeckt werden können. Bei mittleren Konzentrationen der Ebergeruchsstoffe genügen 40 Minuten.
Ein weiteres Forschungsprojekt mit dem Titel "Enzymatischer Abbau von Ebergeruch-Substanzen während der Herstellung von Fleischprodukten" untersucht, ob Ebergeruchsstoffe bei der Herstellung von Wurstwaren (Brühwurst) abgebaut werden können. Für die Beseitigung des Ebergeruchs sollen zunächst geeignete Enzyme identifiziert und anschließend für die Verwendung aufgearbeitet werden. Dabei muss das Herstellungsverfahren der Brühwürste gegebenenfalls an den Einsatz entsprechender Enzyme angepasst werden. Im Rahmen des Projekts soll auch die Qualität der Brühwürste sensorisch beurteilt, die Verbraucherakzeptanz des Verfahrens untersucht und das Verfahren einem Praxistest unterzogen werden.
Damit Eberfleisch auf dem Markt eine Chance hat, muss es vom Lebensmitteleinzelhandel und dem Verbraucher akzeptiert und nachgefragt werden. Nur wenige Projekte beschäftigen sich bislang intensiv mit dieser Thematik. Eines davon ist die vom Schweizer Biolabel KAGfreiland ins Leben gerufene Aktion "Eber statt Kastraten", die 2008 anlief. Die Initiatoren wollen mit dem Projekt zeigen, dass sich selbst aus geruchsbelastetem Fleisch hervorragende Produkte herstellen lassen.
Dafür entwickelten sie gemeinsam mit angeschlossenen Metzgereien ein kleines Sortiment so genannter Rohessprodukte, die sich für die Verwertung von geruchsbelastetem Eberfleisch besonders eignen. Dazu zählen Trockenfleischprodukte (zum Beispiel die Schweizer Salamispezialität Salsiz), Rohschinken oder Trockenspeck.
Die Produkte, die man durchweg aus dem Fleisch geruchsauffälliger Eber erzeugte, wurden bei gezielten Kampagnen – zum Beispiel bei Hof- und Stadtfesten – unter die Leute gebracht und die Thematik "Eberkastration" kommuniziert. Interessant ist nach Aussagen der KAGfreiland das Ergebnis einer Umfrage der Schweizer Verbrauchervereinigung "Kassensturz". Hierbei sei der Geschmack der Eberprodukte durchschnittlich besser bewertet worden als der Geschmack anderer Schweinefleischprodukte.
Im Laufe der Zeit hätten sich einige Metzgereien einen Kundenstamm aufbauen können, der sich mit dem Kauf von Eberfleischprodukten gezielt gegen unnötige Eingriffe am Tier entscheide, gibt die KAGfreiland an. Dieser Personenkreis sei auch bereit, den höheren Preis aufgrund der aufwändigen Eberhaltung und Herstellung der Eberfleischprodukte für diese zu zahlen. Viele Menschen entscheiden sich gerade aufgrund der höheren Preise gegen Eberfleisch. Die Vermarktung dieser Produkte bleibe deshalb eine Herausforderung. Für einige Betriebe, insbesondere für ökologisch wirtschaftende Betriebe mit angeschlossener Direktvermarktung, könnte sich hier jedoch durchaus eine Nische eröffnen.
Letzte Aktualisierung 23.01.2024