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Weites Sichtfeld, eingeschränktes räumliches und scharfes Sehen: Kühe nehmen Veränderungen in ihrem Umfeld sehr früh wahr, sehen diese aber nur schemenhaft. Bild: Landpixel
Kühe sehen die Welt anders als Menschen. Rinder sind Fluchttiere und darauf ist ihre Wahrnehmung ausgerichtet. In der Tierbetreuung und im Herdenmanagement gilt es, darauf Rücksicht zu nehmen. Das schafft mehr Tierwohl und erleichtert die Arbeit.
Im Umgang mit Kühen, ist es wichtig zu wissen, wie Kühe ihre Umwelt wahrnehmen und damit auch wie sie sehen. Dabei muss bedacht werden, dass das Auge des Rindes an seine Herkunft angepasst ist. Das Rind ist ein Pflanzenfresser, das als Flucht- und Beutetier im offenen Grasland lebt.
Rinder haben seitlich angeordnete Augen und dadurch ein größeres Gesichtsfeld als beispielsweise der Mensch. Sie nehmen mehr und schneller wahr, wenn sich beispielsweise Raubtiere nähern. Ihr großes seitliches Sichtfeld ermöglicht ein Blickfeld von etwa 330°. So ausgestattet können Rinder umherziehen und die Herdenmitglieder im Blick behalten, ohne ihren Kopf ständig bewegen zu müssen. Raubtiere hingegen können besser fokussieren und Distanzen abschätzen.
Räumliches, dreidimensionales und plastisches Sehen entsteht durch binokulares Sehen, also das Sehen mit beiden Augen. Das größere Sichtfeld von Rindern bringt ein schlechteres räumliches Sehen mit sich, da sich die Gesichtsfelder weniger überlappen als beim Menschen.
Nur wenn sich die Bilder beider Augen überschneiden, entsteht ein dreidimensionales Bild. Nach vorne beträgt der Sehwinkel für räumliches Sehen bei Rindern nur 60 Grad. Seitlich sieht die Kuh nur monokular, also zweidimensional. Direkt hinter ihrem Becken sieht sie gar nichts.
Am äußeren Rand des Weitwinkel-Gesichtsfelds sehen Kühe Gegenstände nur noch verformt. So erscheint ihnen beispielsweise ein für uns gerader Weidepfahl verkrümmt. Für uns Menschen lässt sich das nachvollziehen, wenn wir ein Fischaugen-Objektiv vor der Kamera anbringen.
Kühe können Farben sehen, haben aber sozusagen eine Rot-Grün-Schwäche. Sie sehen die Farben Gelb, Grün und Blau gut. Rot nehmen sie dagegen nur als Grautöne wahr. Rinder sind wie auch Pferde und Schweine Dichromaten. Sie haben zwei verschiedene Arten von Augenzapfen - Farbrezeptoren für blau und grün in der Netzhaut und Stäbchen für das Dämmerungssehen.
Im Gegensatz zum Menschen beträgt die Sehschärfe des Rindes nur 30 Prozent.
Die Linse des Rinderauges kann sich nur schlecht akkommodieren, also sich verändern, um einen Gegenstand zu fokussieren.
Menschen, die sich von der Seite nähern, werden von Rindern früh erkannt. Ihre Konturen werden aber nur verschwommen wahrgenommen. Rinder können nur bis etwa 1,5 Meter Entfernung überhaupt scharf sehen, ab zwei Metern ist ihr Bild immer unscharf.
Der Nahsichtbereich für das Scharfsehen ist bei Rindern unten im Auge. Der Fernsichtbereich oben ist immer unscharf. Daher nehmen Kühe in neuer Umgebung den Kopf herunter, wenn sie den Weg unmittelbar vor ihnen scharf sehen möchten. Drastisch nimmt die Sehschärfe bei schlechter Beleuchtungsintensität im Stall und nachts ab.
Insgesamt sehen Rinder in der Dunkelheit aber besser als wir. Das Auge des Rindes hat eine reflektierende Pigmentschicht, das Tapetum lucidum. Es wirkt wie eine Art Restlichtverstärker und lässt die Rinderaugen hell aufleuchten, wenn sie zum Beispiel der Strahl einer Taschenlampe trifft. Das einfallende Licht passiert die Netzhaut, wird am Tapetum lucidum reflektiert und passiert die Netzhaut ein zweites Mal.
Dadurch können Kühe schon ab 0,05 Lux so gut sehen, dass sie nachts ohne Probleme im Herdenverband weiden können. Eine klare Vollmondnacht, bei der auch Menschen eine gute nächtliche Orientierung haben, ist mit 0,25 Lux etwa fünfmal so hell.
Die bessere Lichtausbeute von Rindern im Vergleich zum Menschen hat aber den Nachteil der höheren Blendneigung: Lichtreflexe und Schatten, vor allem wenn sie sich noch bewegen, versetzen Rinder in Angst und lassen sie scheuen. Auch Hell-Dunkelkontraste nehmen Rinder stärker wahr als Menschen.
Das Landwirtschaftliche Bildungszentrum Echem der Landwirtschaftkammer Niedersachsen hat in Kooperation mit Fachfirmen eine Virtual-Reality-Brille (VR-Brille) entwickelt. Mit diesem Werkzeug verschaffen sich Nutzer einen eigenen Eindruck von der Wahrnehmung des Rindes und können somit konkrete Rückschlüsse auf Verbesserungen in der Haltung und im Umgang mit den Tieren ziehen.
Das menschliche Auge nimmt etwa 18 Bilder pro Sekunde noch gut als Einzelbilder wahr. Ab 24 Bilder pro Sekunde sehen Menschen Bilder als Film. Rinderaugen können dagegen bis zu 60 Bilder einzeln verarbeiten.
Das bedeutet, Rinder sehen Bewegungen noch als ruckelnde Bild-Show, während Menschen schon einen Film wahrnehmen. Dies hilft ihnen, beispielsweise Bewegungen eines Raubtieres frühzeitig wahrzunehmen. Auf der anderen Seite nehmen sie für uns Menschen noch ruhige Bewegungen schon als hektisch wahr. Fuchtelnde Arme, aufgeregte Bewegungen, Flatterbänder, raschelnde Baumzweige im Wind oder flackerndes Licht irritieren Rinder, bereiten ihnen Stress und machen Angst.
Wer in den toten Winkel direkt hinter der Kuh etwa 15 ° rechts und links von der Schwanzwurzel tritt, wird von ihr nicht gesehen. Ein frühzeitiges Ansprechen erleichtert der Kuh die Einschätzung der Situation. Deswegen sollte man sich akustisch bemerkbar machen, wenn man sich Kühen von hinten nähert. Sie wird den Kopf wenden und die Situation erkennen. Unmittelbar vor ihrer Nase haben Rinder übrigens auch einen blinden Fleck.
Kühe haben querovale Pupillen, mit denen sie den Horizont abgleichen können. Sie können aber die Pupillen nicht weiten, weshalb sie länger brauchen, um sich Lichtwechseln anzupassen. Das hat beispielsweise Auswirkungen beim Übergang vom Stall in den Laufhof oder auf die Weide.
Rinder brauchen wesentlich länger als der Mensch, um sich an andere Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Die notwendige Zeit sollten sie bekommen. Auch beim Verladen oder Treiben auf dem Schlachthof sollte diese Zeit eingeplant und hierauf Rücksicht genommen werden. Unterstützend können Anhänger und die Treibewege ausgeleuchtet werden.
Nicht zuletzt kann eine gute Beleuchtung bei einem Brand buchstäblich lebensrettend sein, wenn die Kühe bei einer möglichen Evakuierung nicht ins völlige Dunkel gehen müssen.
Der geringe Winkel des binokularen Sehfelds von 60° bringt es mit sich, dass Kühe den Kopf tiefer nehmen müssen, wenn sie den Weg vor ihnen scharf sehen und die kurze Entfernung abschätzen wollen. Mit erhobenem Kopf, wie er zum Beispiel beim Führen auf einer Auktion notwendig ist, haben sie dagegen eine sehr schlechte Tiefenwahrnehmung.
Das für Menschen scheinbar grundlose Scheuen erklärt sich auch durch eine große Wahrnehmung einerseits, aber geringere Kontrastschärfe andererseits. Durch das geringere Erkennen von Kontrasten, nehmen Kühe Schatten etwa als schwarze Löcher wahr, die Gefahr darstellen könnten. Erst bei gesenktem Kopf, können sie die Situation genauer untersuchen und beurteilen.
Die biologischen Gegebenheiten des Rinderauges zu kennen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Handling zu beachten, hilft Mensch und Tier. Scheinbar störrisches Verhalten beim Treiben und Verladen lässt sich oft mit dem Aufbau des Rinderauges und der daraus resultierenden anderen Wahrnehmung erklären.
In der Ausbildung junger Landwirtinnen und Landwirte können hierbei Instrumente wie die am Landwirtschaftlichen Bildungszentrum in Echem entwickelte „Kuhbrille“ helfen, den Blick für die Gründe von Verhalten bei Rindern zu schärfen.
Letzte Aktualisierung 10.04.2025