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Tierwohl lässt sich als Qualitätskriterium in der Vermarktung nutzen. Die Teilnahme an speziellen Programmen und die Nutzung eines Labels helfen dabei.
Vermarktungsprogramme unterscheiden sich in ihren Anforderungen. Das gilt sowohl für die Gewichtung einzelner Kriterien als auch für die Höhe der jeweilig geforderten Mindeststandards in der Tierhaltung. Die Programme unterscheiden sich aber auch in der Vermarktung. Für die Endverbraucher wird die Umsetzung der Tierwohlstandards im Milchviehbetrieb meist nur durch die Verwendung eines Labels auf dem Produkt beziehungsweise der Verpackung sichtbar.
In der Regel lassen sich durch die Labelnutzung höherer Preise erzielen. Welches Label am besten zum eigenen Betrieb passt und welche Maßnahmen im Betrieb dafür getroffen werden müssten, gilt es herauszufinden. Bei der Beschäftigung mit den Anforderungen kommt mitunter heraus, dass die Anpassungen weniger aufwendig sind als gedacht.
Auf dem Weg in die Vermarktung des Tierwohls gibt es viele hilfreiche Angebote zur Überprüfung des Tierwohls im eigenen Milchviehbetrieb. Eine davon ist die App Q-Wohl aus Baden-Württemberg. Sie ist eine Managementhilfe zur Verbesserung des Tierwohls in der Milchviehhaltung, die auf der Erfassung tierbezogener Indikatoren beruht. Sie wurde von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen in Zusammenarbeit mit der Landesbeauftragten für Tierschutz Baden-Württemberg entwickelt.
Welche Kriterien sind nun bei der Milchviehhaltung für die Entscheidungsfindung wichtig? Hier eine Auswahl:
Der biologische Landbau ist in den EU-Öko-Verordnungen gesetzlich geregelt. Landwirte, die auf den Ökologischen Landbau gemäß EU-Verordnung umstellen wollen, können sich hier informieren: Ökolandbau.de .
In der Basisverordnung (EG) Nr. 834/2007 und dazugehörigen Durchführungsverordnungen sind die Anforderungen an den Tierschutz festgeschrieben. Die Zahl der Tiere auf einem ökologisch wirtschaftenden Betrieb ist flächengebunden. Hier wird auf die besonderen Anforderungen in der ökologischen Milchviehhaltung eingegangen:
Zu den Zuchtzielen zählen u. a. eine hohe Lebensleistung, spätreife Kühe, hohe Grundfutterleistung oder Hornlosigkeit. Vermehrtes Augenmerk wird auch auf das arttypische Verhalten von Kühen und den angepassten Umgang mit den Tieren gelegt. Die mutter- und ammengebundene Aufzucht auf dem eigenen Betrieb wird insbesondere für die männlichen Kälber empfohlen.
Wichtig: Es fällt eine zwei- bis dreijährige Umstellungsphase für die Betriebe an, bevor die Milch und andere Produkte als Ökoware vermarkten werden kann.
Milchkühen soll eine Nettofläche von 6 m² im Stall plus 4,5 m² Außenfläche zur Verfügung stehen. Bei Zuchtbullen sind es 10 m² im Stall und 30 m² Außenfläche. Unter bestimmten Bedingungen und auf Antrag ist für Kleinbetriebe die Anbindehaltung weiter möglich.
Die Zahl der Tiere auf einem ökologisch wirtschaftenden Betrieb ist flächengebunden.
Das Futter muss aus ökologischer Erzeugung stammen.
Mindestens 60 Prozent der Tagesration bezogen auf die Trockensubstanz müssen frisches, getrocknetes oder siliertes Raufutter sein.
Seit 2021 müssen mindestens 60 Prozent des Futters für Rinder vom eigenen Betrieb beziehungsweise aus der Region stammen.
Antibiotika, Leistungs- und Wachstumsförderer sowie synthetische Aminosäuren sind verboten; ebenso gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und deren Derivate
Kälber müssen drei Monate lang eine Milchtränke aus Vollmilch erhalten.
Kein routinemäßiges Enthornen der Kälber.
kein Embryotransfer.
Beim Einsatz von herkömmlichen Medikamenten gelten im ökologischen Landbau die doppelten gesetzlichen Wartezeiten, mindestens aber 48 Stunden.
keine Vorgaben
Jeder Ökobetrieb wird regelmäßig, mindestens aber einmal im Jahr, von einer staatlich zugelassenen Kontrollstelle überprüft.
Auch Milchviehbetriebe, die sich noch in der Umstellung befinden, bekommen schon eine Förderung über den Agrarförderantrag.
Das Kennzeichen von Produkten aus Ökobetrieben gemäß EU-Ökoverordnung ist das deutsche sechseckige Biosiegel oder das EU-Bio-Logo (Euro-Blatt).
Es gibt neun ökologische Anbauverbände in Deutschland. Zu den bekanntesten und auch in der Milchviehhaltung bedeutendsten gehören Bioland, Demeter und Naturland. Ihre Richtlinien gehen in Teilen über die EU-Ökovorschriften hinaus. Die angehenden Ökobetriebe müssen eine Umstellungsphase durchmachen, bevor Milch und Rindfleisch als Öko-Ware vermarktet werden können. Für Landwirte, die sich mit dem Gedanken einer Umstellung befassen, sind ein paar grundlegende Überlegungen wichtig: Bei Demeter z.B. wird nach biologisch-dynamischen Grundsätzen bewirtschaftet, die auf die anthroposophische Lehre von Rudolf Steiner zurückgehen. Der Demeter-Verband hat die Haltung von horntragenden Kühen zum Ziel, andere Verbände, wie Naturland, setzen auf die Haltung genetisch hornloser Tiere. Bei allen Ökoverbänden ist die Mitgliedschaft mit Kosten verbunden. Dafür erhalten sie aber Beratung und Begleitung in der Umstellungsphase.
Über die EU-Öko-Anforderungen hinaus müssen bei Bioland und Naturland in Laufställen für jedes Rind ein Liege- und ein Fressplatz zur Verfügung stehen.
Bei Demeter ist für Rinder der Weidegang „zu maximieren“ und bei Naturland verpflichtend. Ausnahmen bei Nähe zu viel befahrenen Straßen oder Bahnlinien.
Bei Bioland müssen die Kühe während der Vegetationszeit Weidegang erhalten. Die Mindestweidefläche beträgt 600 Quadratmeter je Großvieheinheit nach HI-Tier während der gesamten Vegetationsdauer.
Die Tierzahl auf dem Betrieb ist an die Fläche gebunden. Die maximale Besatzdichte wird von 170 Kilogramm Stickstoff pro Jahr und Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche auf 112 Kilogramm bei Bioland, Biopark, Demeter und Naturland verschärft.
Es gilt mindestens die EU-Öko-Verordnung
Die Transportzeit der Tiere ist bei der EU-Öko-Verordnung nicht limitiert, bei Bioland, Biopark und Naturland (hier Soll-Vorgabe) auf vier Stunden und 200 km begrenzt.
Es gilt mindestens die EU-Öko-Verordnung.
Bei Demeter ist das Enthornen nicht zulässig. Zugekaufte Tiere müssen genetisch horntragend sein. Ausnahme bilden die genetisch hornlosen Rassen wie Angus oder Galloway. Bei Naturland ist die Enthornung mit Ätzstiften nicht zulässig, der Verband empfiehlt genetisch hornlose Zuchttiere. Bei Bioland darf im Einzelfall nach Genehmigung mit Beruhigungsmittel, lokaler Betäubung und langwirksamem Schmerzmittel enthornt werden. Der Verband hat die Zielsetzung, durch Neu- oder Umbau von angepassten Ställen für horntragende Tiere oder durch die Zucht auf Hornlosigkeit Enthornungen auf Dauer zu vermeiden.
Alle Ökobetriebe werden mindestens einmal im Jahr kontrolliert, die Kontrollstellen der einzelnen Verbände führen zudem auch weitere unangekündigte Betriebsbesuche durch.
Die Tierwohl-Kontrolle ist bei Bioland jährlich vorgeschrieben, bei Demeter findet sie stichprobenartig regelmäßig statt und bei Naturland wird eine jährliche externe Tierwohlkontrolle nach eigenen tierartspezifischen Kriterien durchgeführt.
Während die EU-Ökoverordnung eine Teilbetriebsumstellung mit gleichzeitig „nichtökologischen Rindern“ auf dem Betrieb zulässt, ist dies bei Bioland, Biopark, Demeter und Naturland nicht erlaubt.
Sowohl in der Umstellung als auch danach erhalten landwirtschaftliche Betriebe eine staatliche Förderung.
Jeder Ökoverband hat sein eigenes Logo. Die Betriebe können also ihre Produkte zusätzlich zum EU-Öko-Logo mit dem Verbandslogo ausweisen.
"Für mehr Tierschutz - Zertifiziert nach Richtlinien des Deutschen Tierschutzbundes“, so heißt das Label des Deutschen Tierschutzbundes (TSL). Das Programm existiert seit 2013. Es gibt eine Einstiegsstufe und die Premiumstufe. Die Betriebe zahlen für die Labelnutzung Lizenzgebühren. Das Zeichen des TSL wird auch von Initiativen des Handels wie im Programm "Fair & Gut“ von Aldi für Milchprodukte genutzt. LIDL verkauft "frische Weidemilch" mit dem TSL-Label. Bekannt ist auch die "Tierwohl-Milch“ der Nordseemilch mit dem TSL-Logo.
Die "Richtlinie Milchkühe" gibt detaillierte Angaben zur Haltung von Milchkühen und zum Transport von Milchkühen zum Schlachthof: Einige Kriterien der Einstiegsstufe sind im Folgenden herausgegriffen:
Anbindehaltung ist nicht erlaubt.
Mindestens 6 m² Bewegungsfläche inklusive Liege-, Lauf- und Fütterungsbereich.
Mindestbreite von Lauf- und Fressgängen (3,50 m und 2,50 m).
Tier-Fressplatz- und Tier-Liegeplatz-Verhältnis von 1:1.
Laktierende Milchkühe müssen ganzjährig Zugang zu Außenklima haben.
Weidegang ist von April bis Oktober durchzuführen und mit einem Weidetagebuch zu belegen.
Maximale Bestandsgröße bei 600 Plätzen für Milchkühe.
Leistungsorientierte und wiederkäuergerechte Fütterung, GVO-frei
Enthornung der Kälber nur unter Sedation, Lokalanästhesie und Schmerzmittelgabe erlaubt.
In der Premiumstufe soll langfristig auf das Enthornen verzichtet werden. Mindestens sollen genetisch hornlose Zuchtbullen eingesetzt werden.
Für je 60 Tiere muss eine Scheuermöglichkeit vorhanden sein.
Wenn möglich, sollte der Milchviehbetrieb sowohl die Milchkühe als auch die Kälber, Färsen und Bullen an einen nach den Kriterien des Tierschutzlabels "FürMehrTierschutz“ zertifizierten Schlachthof abgeben.
Anwärter-Betriebe bekommen eine Erstinspektion vor der Aufnahme in das TSL-Programm, danach erfolgen unangemeldete Anschlusskontrollen.
Zusätzlich: Tierbezogene Kriterien wie Tierverluste, Totgeburtenrate, Ernährungszustand/BCS, Lahmheiten und Klauenzustand, Verschmutzungen oder Hautveränderungen werden sowohl im Stall, als auch am Schlachthof erfasst (Transporttote, Verletzungen, nicht transportfähige Tiere, notgeschlachtete Tiere, deutlich lahme Tiere, fallende Tiere).
Betriebe müssen außerdem an einem Qualitätsmanagementprogramm (zum Beispiel „QM-Milch“) teilnehmen.
Teilnehmende Betriebe bekommen keine finanzielle Förderung durch den Deutschen Tierschutzbund. Sie können aber höhere Preise erzielen, wenn sie das TSL-Logo zur Vermarktung nutzen.
TSL-Produkte werden mit dem Logo "Für mehr Tierschutz" gekennzeichnet und haben in der Eingangsstufe einen Stern und in der Premiumstufe zwei Sterne.
Neben den genannten Programmen gibt es auch zahlreiche kleinere, oftmals regionale Initiativen. Sie bedienen zum Teil spezielle Nischen oder besondere Märkte. Beispiele hierfür finden sich bei Heumilchbauern, Bruderkalb und Hof Lehnmühle.
Auch gibt es diverse "Weidemilch-Programme", die mit mehr Tierwohl für die Milchkühe werben.
Dabei ist aber zu beachten: Der Begriff Weidemilch ist lebensmittelrechtlich nicht geschützt, was dazu führt, dass der Begriff unterschiedlich ausgelegt wird.
Seit 2017 gibt es die Charta Weideland Norddeutschland. Sie vergibt das Label Pro Weideland. Es ist ein Gütesiegel des Grünlandzentrums Niedersachsen/Bremen e.V., das von Organisationen der Landwirtschaft, des Umwelt- und Naturschutzes, des Verbraucherschutzes und mehreren Molkereien getragen wird und sich mittlerweile auf verschiedenen Molkereiprodukten findet. Näheres finden Sie hier Pro Weideland. Teilnehmende Landwirte werden finanziell gefördert. Kriterien sind z.B.:
Schon 2018 wurde im Koalitionsvertrag die Schaffung eines staatlichen Tierwohlkennzeichens vereinbart. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen künftig leichter erkennen können, wenn tierische Lebensmittel nach speziellen tierfreundlichen Vorgaben erzeugt werden. Verbindliche Kriterien für die Milchviehhaltung werden derzeit noch diskutiert. Auch die EU befasst sich mit der Einführung einer Kennzeichnung von tierischen Produkten, die bei erhöhten Tierschutzanforderungen hergestellt wurden.
Wer Tierwohl als Qualitätskriterium vermarkten will, kann zwischen verschiedenen Programmen und Labeln wählen. Es lohnt sich, die Kriterienkataloge zu vergleichen, um herauszufinden, was am besten zum eigenen Betrieb passt.
Kosten für Stallumbau oder Neubau spielen sicher eine Rolle für die zukünftige Ausrichtung, aber auch eventuelle Folgekosten für Mitgliedschaft, Beratung oder Labelnutzung. Auch gilt es zu klären, ob es im Betrieb eine Bereitschaft für den Umgang mit horntragenden Kühe gibt, Änderungen in der Bewirtschaftung vorzunehmen oder die Herdengröße zu verringern. Soll in Ackerbau und in der Grünlandwirtschaft weiterhin konventionell gewirtschaftet werden? Dann passt zum Beispiel das Label des Deutschen Tierschutzbunds.
Das staatliche Tierwohlkennzeichen ist derzeit noch in Arbeit. Ein EU-weites Tierwohl-Label ist in Planung.
Letzte Aktualisierung 22.03.2021