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Ein autonomes Energie-Management-System für Milchviehställe soll sowohl eine ausgewogene als auch nachhaltige Produktion von Energie und Milch ermöglichen. Im Projekt CowEnergy wurde das untersucht.
Immer mehr Milchviehhalter investieren auf ihren Betrieben in moderne Technik. Sie nutzen die Automatisierung und Digitalisierung für mehr Tierwohl im Stall, für eine höhere Effizienz und für mehr Flexibilität bei ihrer Arbeit. So werden die Kühe immer häufiger von Melkrobotern gemolken. Automatische Systeme übernehmen das Füttern der Herde und sie säubern auch den Stall. Dazu kommt die Nutzung erneuerbarer Energien auf den landwirtschaftlichen Betrieben: Windräder erzeugen Strom, in Biogasanlagen vergären organische Stoffe und häufig sind Stalldächer mit den Solarzellen von Photovoltaikanlagen bedeckt. Allein durch die Nutzung der Solarenergie erzeugt ein Milchviehbetrieb bis zu dreimal mehr Energie als er selbst verbraucht. Wenn alle Ressourcen optimiert würden, könnten Milchviehbetriebe also nicht nur Nutzer von Energie, sondern gleichzeitig auch Energieversorger sein.
Doch wie lassen sich die Produktion von Milch und die Erzeugung von Energie so perfektionieren, dass sich Milchviehbetriebe eigenständig mit Energie versorgen können? An welchen Stellen lässt sich Energie einsparen, ohne das Tierwohl zu beeinträchtigen? Und welche Möglichkeiten gibt es, erneuerbare Energien, die über den Bedarf hinaus produziert wurden, in regionale Energienetze einzuspeisen?
Diesen Fragen widmet sich das Forschungsprojekt "CowEnergie" der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der Technischen Universität München. Die Wissenschaftler beider Universitäten arbeiten - gemeinsam mit Partnern aus der Industrie – seit mehreren Jahren an der Entwicklung eines Energie-Management-Systems für Milchviehbetriebe. Mit diesem System wollen sie zum einen die betrieblichen Abläufe der Milchviehbetriebe elektronisch steuern, automatisieren und überwachen (zum Beispiel die Futterzuführung, die Klimaanlage oder das Licht). Des Weiteren soll das System auch zur Optimierung der Erzeugung, Speicherung und Nutzung regenerativer Energiequellen dienen. Für den Betriebsleiter selbst ist von Vorteil, dass er sich kontinuierlich über den aktuellen Prozess- und Energiestand seines Stalles informieren und die im System dokumentierten Daten für die eigene Betriebsentwicklung nutzen kann.
Um Energieproduktion und Verbrauch möglichst genau vorhersagen zu können, benötigt das Energie-Management-System Daten aus den verschiedensten Bereichen, in verschiedenster Struktur und in großer Anzahl. Dazu zählen Wetterprognosen, Stallklimadaten, tierindividuelle Leistungsdaten und Verhaltensdaten (Bewegungsaktivität, Wiederkauaktivität und Tierposition) sowie Daten zur Tiergesundheit. Aus diesen Daten kann das System zum Beispiel die Verhaltensstrukturen von Einzeltieren und Tiergruppen prognostizieren und damit Rückschlusse auf den zukünftigen Energiebedarf der Stallkomponenten ziehen.
Das Energie-Management-System "CowEnergie" soll so aufgebaut werden, dass es nach einer bestimmten Entscheidungshierarchie vorgeht:
Besondere Herausforderungen sind dabei die unterschiedlichsten technischen Gegebenheiten der Energieverbraucher im Stall, die verschiedenen Lösungen der Energiegewinnung und -speicherung, der Datenaustausch zwischen den Systemen und die netzdienliche Integration in das Stromversorgungsnetz dar. Darüber hinaus müssen die Interaktionen zwischen Tier, Technik und Mensch berücksichtigt werden.
Der aktuelle Entwicklungsstand des CowEnergie-Projekts gestattet es, erste Praxisbetriebe mit diesem System auszurüsten. Ein bayerischer Pilotbetrieb wurde inzwischen mit der für ein Energie-Management-System notwendigen Technik ausgestattet. In einem neu gebauten Boxenlaufstall des Betriebs wurden 16 Smartmeter (intelligente Stromzähler) installiert und die gesamte Verkabelung der Technik auf das Energie-Management-System ausgerichtet. Zwei Zähler messen den Gesamtstromverbrauch, 14 weitere Zähler messen einzelne Stromkreise. Auf diese Weise sollen detaillierte Lastenprofile für den Betrieb erstellt werden. Die Wissenschaftler erfassen auf dem bayerischen Pilotbetrieb jedoch nicht nur den Stromverbrauch. In ihrem Fokus steht auch die Erarbeitung eines Monitoringsystems, das sich für die realitätsnahe Abbildung des Verhaltens einer Kuhherde eignet. Es soll auffälliges Verhalten von normalem Verhalten unterscheiden können. Geklärt wird unter anderem, welche Parameter des Tierverhaltens für die Überwachung und Steuerung der technischen Systemelemente geeignet sind. Dazu werden vier unterschiedliche Aktivitätsmess- und Ortungssysteme untersucht.
Ein weiterer Betrieb ist mittlerweile fertig gestellt, um die Erfahrungen aus dem ersten Praxisbetrieb umzusetzen und weiter zu entwickeln.
Über den Einsatz in Milchviehbetrieben hinaus, ist es für die Wissenschaftler der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der Technischen Universität München vorstellbar, das Energie-Management-System auch in anderen Bereichen der Tierhaltung einzusetzen, zum Beispiel in der Schweine- und Geflügelhaltung. Ein wichtiges wirtschaftliches Ziel des Forschungsvorhabens "CowEnergie“ ist es deshalb, nach abgeschlossener Entwicklungsarbeit einen ersten Prototyp auf den Markt zu bringen.
Letzte Aktualisierung 18.07.2024