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Im EIP-Projekt "Extrawurst: Innovative Schlachtverfahren“ wurden mobile Schlachteinheiten für Betriebe entwickelt, mit denen Rinder auf dem eigenen Hof geschlachtet werden können.
Eine Schlachtung in vertrauter Umgebung erspart den Rindern den Stress, den sie ansonsten beim Verladen, während des Transports und auf dem Schlachthof durchleben. Das wirkt sich auch positiv auf die Fleischqualität aus.
Ziel des Projekts war es, eine Schlachteinheit für das Verfahren des teilmobilen Schlachtens zu entwerfen. Bei diesem Verfahren werden die Tiere in einer mobilen Schlachteinheit auf dem Herkunftsbetrieb EU-Rechtskonform fixiert, betäubt und entblutet und dann zur Weiterverarbeitung zu einem stationären Schlachtbetrieb gebracht. Auf dem stationären Schlachtbetrieb erfolgen alle weiteren Arbeiten, wie das Ausnehmen, Enthäuten und Zerlegen.
In dem Projekt arbeiteten Landwirte, Schlachter, Anlagenbauer und Direktvermarkter eng zusammen. Insbesondere wurde geprüft, ob mit diesem Verfahren alle rechtlichen Vorgaben eingehalten werden können. Unter der zum Zeitpunkt der Untersuchung noch geltenden Rechtslage war es zum Beispiel eine besondere Herausforderung, die Vorschrift einzuhalten, dass nur lebende Tiere in den Schlachthof verbracht werden dürfen.
Es wurde also ein großer, straßentauglicher Anhänger entwickelt, der mit einem Seilzug, einer Blutauffangwanne und einem Waschbecken ausgestattet ist. "Die teilmobile Schlachtung wird als gewerbliche Standardschlachtung betrachtet und musste den Vorgaben der EU-Tierschutz-Schlachtverordnung 1099/2009, der nationalen Tierschutz-Schlachtverordnung sowie der EU-Hygieneverordnung 853/2004 entsprechen, die im Projektzeitraum von 2017 bis 2019 galten“, erklärt die Projektleiterin Dr. Andrea Fink-Keßler. Dazu zählen die Fixierung des Rindes außerhalb des Hängers und die Betäubung durch Bolzenschuss sowie das Verbringen des Tieres - betäubt aber noch lebend - in die mobile Einheit, wo es innerhalb von 60 Sekunden nach der Betäubung durch Blutentzug getötet werden muss. Das Blut muss aufgefangen und ordnungsgemäß entsorgt werden Die Fixiereinrichtung wird vor der Schlachtung von der Veterinärbehörde auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft und das Schlachten von einem Amtstierarzt überwacht.
Seit dem 9. September 2021 gilt die EU-einheitliche Rechtsgrundlage für Weide- und Hoftötung – kurz für teilmobile Schlachtung: Neuregelung für Schlachtung im Herkunftsbetrieb; Kapitel VIa des Anhang III Abschnitt I Verordnung (EG) Nr. 853/2004. Mit dieser Ergänzung der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs wird erstmalig unionsrechtlich die Schlachtung im Herkunftsbetrieb von Rindern, Schweinen und Pferden unter Nutzung einer mobilen Schlachteinheit geregelt.
Die mobile Schlachteinheit ist Pflicht. Sie muss auf ihre Eignung hin durch eine Behörde geprüft sein und nach Auffassung der meisten Bundesländer nicht zwingenderweise Teil einer EU-zugelassenen Schlachtstätte sein.
Die vollmobile Schlachtung hingegen – also eine Schlachtung, die alle Schlachtschritte in einem mobilen Trailer (Anhänger) vollzieht – ist von den Neuregelungen nicht betroffen. Genau wie ein stationäres Schlachtunternehmen muss ein vollmobiler Schlachttrailer eine vollumfängliche EU-Zulassung nach den Verordnungen (EG) Nr.852 und 853/2004 erwirken.
Die mobile Schlachtstätte muss beantragt werden. Den Antrag auf Eignungsprüfung kann auch der Landwirt oder andere Besitzer der mobilen Einheit stellen. Das können zum Beispiel Erzeugergemeinschaften oder Metzgereien sein.
Die Ausstattung der mobilen Einheit hängt davon ab, ob das Entbluten im Freien oder in der mobilen Einheit stattfindet. Dass eine Entblutung im Freien möglich ist, ist ein großer Vorteil, den die EU nun einräumt. Auf Länderebene werden hierzu Stand April 2022 Kriterien der Bewertung der mobilen Einheiten erarbeitet. Wem die mobile Einheit gehört, ist nicht entscheidend für die Genehmigungsverfahren. Wichtig ist nur, dass jeweils eine Vereinbarung zwischen dem Tierhalter und dem aufnehmenden Schlachtbetrieb besteht.
In der Folge dieser Vereinbarung wird die geprüfte mobile Einheit als Teil des zugelassenen Schlachtbetriebs betrachtet und es werden genau die Verantwortlichkeiten für den Prozess geregelt. Das ist wichtig, da ein Teil des Schlachtprozesses nun auf landwirtschaftlichem Gebiet stattfindet.
Das Entbluten im Freien ist jetzt nicht nur bei der Weidetötung, sondern auch nach der Bolzenschussbetäubung bei der Hoftötung möglich und kann liegend oder hängend erfolgen.
Wichtig ist nur, dass das Blut vollständig aufgefangen und anschließend ordnungsgemäß im Schlachtbetrieb entsorgt wird.
Die EU setzt nur eine Bedingung: Das Blut darf bei der Entblutung im Freien nicht zum menschlichen Verzehr verwendet werden und weder der Betrieb noch der Landkreis darf zum Zeitpunkt der Schlachtung einer tierseuchenrechtlichen Sperrung unterliegen.
Wird innerhalb der mobilen Schlachteinheit entblutet, darf das Blut genutzt werden. Bei der Bolzenschussbetäubung sind 60 Sekunden zwischen Betäubung und Entblutung weiterhin vorgeschrieben. Außerdem muss der amtliche Tierarzt anwesend sein. Nach der neuen Gesetzeslage ist eine Transportdauer bis zu zwei Stunden ohne Kühlung möglich. Sollte der Transport länger dauern, muss gekühlt werden. Das getötete Tier muss auf direktem Weg vom Herkunftsbetrieb in den Schlachthof verbracht werden. Es dürfen unterwegs keine weiteren Tiere aufgeladen werden. Die in der Schlachtung tätigen Personen benötigen einen Sachkundenachweis zum Betäuben und Töten gemäß Tierschutz-Schlachtverordnung (EG) Nr. 1099/2009.
Der Schlachtunternehmer muss zusätzlich das neue Verfahren in seine Standardarbeitsanweisung integrieren. Außerdem muss im Rahmen der Eigenkontrollen der Erfolg der Betäubung des Tieres dokumentiert werden.
Die ersten Schritte der Schlachtung auf dem Hof in Verbindung mit der Anlieferung des Schlachtkörpers zu einer Schlachtstätte, auf der die weiteren Arbeiten erfolgen, bietet vielen landwirtschaftlichen Betrieben neue Perspektiven für die regionale und direkte Vermarktung.
Für Rinder haltende Betriebe, kleine Schlachtereien und Direktvermarkter eröffnen sich neue Absatzmärkte und darüberhinaus bleibt die Wertschöpfung in der Region.
Die EU-einheitliche Rechtslage bietet nun einen verlässlichen Rahmen. Zur Unterstützung der Umsetzung haben einige Bundesländer, wie zum Beispiel Bayern, Leitfäden für die hofnahe Schlachtung von Huftieren entwickelt.
Letzte Aktualisierung 18.07.2024