Ziegenhaltung in DeutschlandZiegenhaltung in Deutschland

Ziegenhaltung in Deutschland – Ein Überblick

Ziegenhaltung ist Liebhaberei und Wirtschaftszweig in einem. Es fallen Milch, Fleisch und Wolle an. Im Vordergrund steht eindeutig die Milchproduktion. Ziegen werden aber auch in der Landschaftspflege eingesetzt. Hier sind sie echte Spezialisten. Speziell ist auch ihr kapriziöser Charakter, den viele Ziegenliebhaber schätzen.

Ziegen gelten als charakterstarke Tiere mit eigenem Kopf und versprühen mit ihrer Intelligenz und Neugierde einen ganz besonderen Charme. Viele Menschen sind von den lebhaften Ziegen fasziniert. Keine Ziege ist wie die andere, denn die Tiere haben individuell stark ausgeprägte Verhaltensweisen und lernen schnell. Sie sind Kletterkünstler und gute Beobachter und bevorzugen höher gelegene Ruheplätze.

In Ziegenherden herrscht eine strenge Hierarchie, bei Rangstreitigkeiten gehen die Tiere nicht gerade zimperlich miteinander um. Ziegen sind nicht gerne allein, sie suchen die Gesellschaft ihrer Artgenossen, anderer Tiere und der Menschen. Eine britische Studie hat herausgefunden, dass Ziegen - wie auch Hunde oder Pferde – ihre Halterinnen und Halter gut durchschauen können. An der Mimik erkennen sie ihre Stimmung. Sie sind also wahre Menschenkenner!

Ziegenrassen

Der Bundesverband Deutscher Ziegenzüchter e. V. (BDZ) führt insgesamt 24 Rassen. Über die Hälfte davon sind Milchziegenrassen. Die Produktion von Milch ist in der Ziegenhaltung die Hauptnutzungsrichtung. Daneben gibt es Fleischrassen, die vornehmlich in der Landschaftspflege eingesetzt werden. Die Wollproduktion hat bei uns keine große Bedeutung und beschränkt sich auf den Hobbybereich. Der BDZ führt nur zwei Wollziegenrassen: Angoraziege und Kaschmirziege. Anhand der erfassten Zuchtziegen zeigt sich, welche vier Rassen in Deutschland am bedeutendsten sind:

  • Bunte Deutsche Edelziege (Milchziege)
  • Weiße Deutsche Edelziege (Milchziege)
  • Burenziege (Fleischziege)
  • Thüringer Wald Ziege (Milchziege).

Über alle Rassen hinweg wird nur die Thüringer Wald Ziege in der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen als stark gefährdet eingestuft.

Ziegenfleisch in Zahlen

Die Produktion von Ziegenfleisch hat in Deutschland im Vergleich zu den anderen Fleischarten eine deutlich untergeordnete Bedeutung. Im Jahr 2020 lag die Zahl der gewerblichen Schlachtungen (Tiere in- und ausländischer Herkunft) bei 22.100 Ziegen, die Schlachtmenge betrug 410 Tonnen. Seit 2010 weisen die Daten immer wieder mäßige Schwankungen auf, größere Ausschläge wurden aber nicht beobachtet.

Der Konsum von Schaf- und Ziegenfleisch ist seit Jahren konstant: Im Jahr 2021 lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei knapp einem Kilogramm. Gemessen am Gesamtfleischverbrauch Deutschlands entfiel nur gut ein Prozent auf Schaf- und Ziegenfleisch.

Der Import von Ziegenfleisch lag 2021 bei rund 118 Tonnen. Griechenland ist das wichtigste Herkunftsland, daneben noch Irland und Spanien. Ziegen- und Kitzfleisch sind mild, zart sowie fett- und cholesterinarm und gelten als Delikatesse.

Ziegenhaltung in Zahlen

Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 154.900 Ziegen gehalten. Im Vergleich zu 2010 hat sich die Anzahl moderat erhöht (149.940). Ein Blick in diese Dekade zeigt, dass der Bestand nach 2010 erst absackte und sich dann wieder erholte. Auch die Zahl der ziegenhaltenden Betriebe gleicht einer Berg- und Talfahrt: Im Jahr 2010 gab es 11.220 Betriebe, dann sank die Anzahl in den Folgejahren bis auf 9.800 ab, um dann wieder bis zum Jahr 2020 auf 10.500 zu steigen. Ein deutlicher Strukturwandel - wie bei der Schafhaltung in Deutschland - ist anhand der vorliegenden Statistik nicht abzulesen. Allerdings werden die Ziegenbestände datentechnisch weniger oft erhoben, weswegen auch die Zeitreihen größere Lücken aufweisen.

Bayern ist mit 38.860 Tieren das ziegenreichste Bundesland. Dann folgen Baden-Württemberg mit 33.650 sowie Niedersachsen mit 12.980 Ziegen.

Nach einer Statistik vom 1. März 2020, die Betriebe nach Bestandsgrößen beleuchtet, zeigt sich ein differenzierteres Bild: Allein in die Kategorie 1-19 Ziegen fallen 9.040 Betriebe, was bereits 86 Prozent aller in Deutschland vorhandenen Betriebe entspricht. Wird die Kategorie 20 bis 49 Ziegen (859) hinzugenommen, so beträgt der Prozentsatz satte 91 Prozent. Andererseits gibt es bundesweit nur 18 Betriebe, die mehr als 500 Tiere halten. Die Ziegenhaltung in Deutschland ist also überwiegend kleinstrukturiert, was auch für einen großen Anteil an Hobbyhaltung spricht.

Die zwei Bundesländer mit den meisten Betrieben in der Bestandsgröße bis zu 19 Ziegen sind Bayern (2.887) und Baden-Württemberg (2.175). Mit einigem Abstand folgen Nordrhein-Westfalen (815) sowie Niedersachsen (758).

Landschaftspflege

In der Kulturlandschaftspflege werden zu Offenhaltung der Flächen hauptsächlich Fleischrassen eingesetzt. Entweder wird dabei mehr Wert auf Fleischansatz oder auf Landschaftspflege gelegt. In der Literatur ist manchmal auch von Erhaltungsrassen die Rede, die ursprünglich aus Milchziegenrassen gezüchtet wurden, aber heute aufgrund ihrer niedrigen Milchleistung als Landschaftspfleger fungieren.

Fleischziegen werde entweder gekoppelt oder in Hütehaltung zusammen mit Schafen gehalten. Vor allem in Süddeutschland sind Merinoschafherden im Verbund mit Burenziegen ein häufiges Bild.

Das hat seinen Grund, denn Ziegen haben ein anderes Fressverhalten als Schafe. Während Schafe sich hauptsächlich dem Grünaufwuchs widmen, sind Ziegen als reine Rasenmäher ungeeignet. Sie fressen zwar auch Gras und Kräuter, aber ihre Futterration kann zu 40 Prozent aus Laub bestehen. Dabei stellen sie sich geschickt auf ihre Hinterbeine und rasieren mit ihrem Maul Bäume bis zu einer Höhe von 1,80 Metern tellerartig ab. Außerdem sind sie wahre Spezialisten für Sträucher, Hecken und Brombeeren. Sie verbeißen sogar dorniges Gestrüpp wie Heckenrose, Berberitze, Schlehe oder Weißdorn.

Auf stark verbuschten Flächen kann nur noch ein reiner Ziegen-Trupp reinen Tisch machen, denn Schafe bewirken hier nichts mehr. Da sie gut klettern können, kommen sich zudem in schwer zu bewirtschafteten Hang- und Steillagen zum Einsatz.

Ökologische Haltung

Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 33,2 Prozent der Ziegen in ökologisch wirtschaftenden Betrieben gehalten. Dieser Anteil hat sich in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert (2010: 33,4 Prozent). Unter allen Nutztieren ist das mit Abstand der höchste Wert. Der Anteil der Ökobetriebe mit Ziegenhaltung lag 2020 bei 17,7 Prozent im Vergleich zu 14,3 Prozent im Jahr 2010. Auch das sind im Vergleich zu den anderen Nutztierarten Spitzenwerte.

Zum 1. März 2020 gab es bundesweit 1.850 landwirtschaftliche Betriebe mit Ziegenhaltung in ökologischer Wirtschaftsweise, die insgesamt 51.360 Ziegen hielten. Bayern weist mit 729 die meisten Betriebe auf, gefolgt von Baden-Württemberg (450) sowie Hessen (174).

Milchziegen

In Deutschland gibt es schätzungsweise 300 erwerbsorientierte Milchziegenbetriebe. Die durchschnittliche Milchleistung liegt bei etwa 630 Kilogramm pro Ziege und Jahr. Die meisten Milchziegenbetriebe wirtschaften ökologisch und liegen im süddeutschen Raum. Die Branche ist noch jung, wächst aber. Immer mehr Produkte aus Ziegenmilch erobern die Regale des Lebensmitteleinzelhandels. Ziegenmilch wird auch von Menschen mit Kuhmilchallergie vertragen. Weiter besteht eine große Nachfrage nach Ziegenmilchpulver für Säuglingsnahrung. Betriebe, die Molkereien beliefern, befinden sich in deren Umkreis. Laut Eurostat wurden den Molkereien in Deutschland 2018 rund 15.500 Tonnen Ziegenmilch zugeführt. Eine höhere Wertschöpfung verspricht die Vermarktung von Käse und Joghurt ab Hof. Der Anteil der Selbstvermarkter ist bei Ziegenbetrieben bis zu 50 Tieren am höchsten.

Ökonomische Situation

Im Vergleich zu anderen Produktionszweigen der Landwirtschaft spielt die Ziegenhaltung nur eine untergeordnete Rolle. Die wirtschaftliche Lage der Milchziegenbetriebe ist angespannt. Der durchschnittliche Preis für Ziegen- und Schafmilch in Deutschland ab Hof (netto, April 2020 bis April 2022, ökologische und konventionelle Wirtschaftsweise) liegt bei rund 71 Cent pro Kilogramm.

Für Ziegenbetriebe, die Molkereien beliefern, ist die derzeitige Situation ernüchternd. Je Kilogramm Milch bekommen sie etwa 93 Cent bei ökologischer Wirtschaftsweise. Sie benötigen jedoch einen Auszahlungspreis von deutlich über einem Euro, um rentabel wirtschaften zu können. Berechnungen des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) sowie der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zufolge könnte ein Ziegenmilchbetrieb beim derzeitigen Auszahlungspreis von rund 93 Cent erst dann ein positives Ergebnis erwirtschaften, wenn er mehr als 400 Tiere hält. Das jedoch ist aufgrund der kleinstrukturierten, deutschen Ziegenhaltung wenig realistisch. Wer in die Milchziegenhaltung investieren möchte, sollte demnach gut kalkulieren. Das KTBL bietet hier einen kostenlosen Wirtschaftsrechner an.

Die Vermarktung der männlichen Kitze aus der erwerbsorientierten Milchziegenhaltung stellt ebenfalls ein großes Problem dar. Die Aufzucht lohnt sich nicht und die erwirtschafteten Erlöse decken oft nicht einmal die Kosten. In Süddeutschland etablieren die Vermarktungsprojekte "Allgoiß", "Zickensommer" und "Biolämmer von Schaf und Ziege" neue gemeinschaftliche Absatzwege und Wertschöpfungsketten für Bio-Kitzfleisch. Im Fokus stehen dabei Gastronomie sowie Lebensmitteleinzelhandel.

Wie bei der Kitzvermarktung wird auch beim Verkauf von Zuchttieren manchmal kein adäquater Preis erzielt.

Immerhin steigen die Erzeugerpreise: Das statistische Bundesamt berechnet Preisindizes und weist für Schafe und Ziegen im Jahr 2020 gestiegene Preise aus. Auch im ersten Halbjahr 2021 setzte sich dieser Trend fort. In der zweiten Jahreshälfte nahmen die Preise wieder ab und zeigten sich unbeständig. Für Februar 2021 wurde gegenüber dem Vorjahresmonat ein Plus von 12,3 Prozent verzeichnet.

Vorschriften für die Haltung

Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) spart Ziegen aus. Es gibt keine speziellen Abschnitte und daraus abgeleitete Verordnungen wie zum Beispiel für Kälber, Legehennen oder Schweine. Trotzdem gelten die allgemeinen Bestimmungen der TierSchNutztV sowie des Tierschutzgesetzes. Da viele Ziegenbetriebe einem ökologischen Verband angehören, sind weiter verbändespezifische Vorgaben sowie die EU-Öko-Basisverordnung samt Durchführungsbestimmungen relevant.

Herausforderungen für die Zukunft

  • Die dringlichste Aufgabe ist, die ökonomische Situation der Milchziegenbetriebe zu verbessern.
  • Eine große Herausforderung ist auch der Herdenschutz. Bei den von Wölfen in Deutschland 2020 getöteten oder verletzten Nutztieren handelte es sich zu 89 Prozent um Schafe und Ziegen. Viele Bundesländer fördern den Herdenschutz bereits in unterschiedlichen Intensitäten.
  • Weiter stellt sich die Frage, wie Dauermelken künftig in die Zuchtwertschätzung einfließen kann.
  • Da in Deutschland das Enthornen von Ziegen nur im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation möglich ist, wird der Zucht auf ruhigen, unauffälligen und behornten Tieren mehr Bedeutung zukommen. Einen anderen Ansatz verfolgt die Zucht auf Hornlosigkeit, die aber noch nicht ausgereift ist. Auch wie Ziegenhalterinnen und -halter künftig am besten mit Herden umgehen, die aus behornten sowie hornlosen Tieren bestehen, wird wichtig sein. Wie muss sich die Haltungstechnik weiterentwickeln, um diesen gemischten Herden und den damit verbundenen Problemen besser gerecht zu werden?
  • Wie die Ziegenzuchtverbände Bayern und Baden-Württemberg berichten, haben die in Folge der Corona-Pandemie durchgeführten Online-Auktionen überragend funktioniert. Nun wird überlegt, weiter auf digitale Auktionen zu setzen oder Hybridveranstaltungen anzubieten.

Letzte Aktualisierung 11.11.2022

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