Momentan gibt es bundesweit knapp 15 Molkereien und größere Käsereien. Für die Milchablieferung sprechen gute Gründe: Ein Betrieb kann sich so ausschließlich auf die Milcherzeugung konzentrieren. Im Vergleich zur Direktvermarktung ist der Arbeitszeitbedarf um einiges geringer. Die Molkereien nehmen größerer Mengen ab, was bedeutet, verlässlich planen zu können. Neueinsteiger können indes über die vertragliche Milchabnahme eine solidere Finanzierung auf die Beine stellen. Weiter profitieren Milchziegenbetriebe in entlegenen Regionen fern von Kundschaft ebenfalls von dieser Vermarktungsform.
Die Nachteile liegen umgekehrt auf der Hand: Es müssen von Beginn an größere Milchmengen erzeugt werden, was automatisch größere Tierbestände nach sich zieht. Außerdem sind die Betriebe von den Molkereien und deren Milchpreisgestaltung abhängig. Aktuell ist die wirtschaftliche Lage für Bio-Ziegenbetriebe eher angespannt. In 2022 bekamen sie je Kilogramm Milch von den Molkereien etwa 93 Cent. Nach einer Analyse des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) und der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen wird jedoch ein Auszahlungspreis von deutlich über einem Euro benötigt, um rentabel wirtschaften zu können. Ein Ziegenmilchbetrieb kann nach diesen Berechnungen erst dann ein positives Ergebnis erwirtschaften, wenn er über 400 Tiere hält.
Direktvermarktung bedeutet auf der anderen Seite, aktiv und kreativ nach einzelbetrieblichen Lösungen zu suchen. Die höhere Wertschöpfung garantiert auch höhere Preise. Das Familieneinkommen kann so mit einer geringeren Betriebsgröße erwirtschaftet werden. Dem gegenüber steht jedoch ein beträchtlich höherer Arbeitsaufwand. Er übersteigt sogar den der Milchkuhhaltung. Verarbeitet und vermarktet ein Milchziegenbetrieb seine Milch selbst, ist mit über 55 Arbeitskraftstunden (Akh) pro Ziege und Jahr zu rechnen. Die Eigenvermarktung bietet sich deswegen vor allem für Betriebe mit ausreichenden Arbeitskapazitäten an.
Was bedingt den Erfolg?
Wenn sich Milchziegenbetriebe zwischen Direktvermarktung und Ablieferung an eine Molkerei entscheiden müssen, geht es neben den persönlichen Fähigkeiten auch um betriebswirtschaftliche Fragen. Andreas Kern weiß, worauf es hier ankommt, denn er ist Bioland-Fachberater für die süddeutsche Schaf- und Ziegenhaltung und zudem auf Betriebswirtschaft und Betriebsentwicklung spezialisiert. "In der Milchziegenhaltung können zwar hohe Gewinne pro Hektar erwirtschaftet werden, gleichzeitig ist der Arbeitszeitbedarf sehr hoch. Deshalb ist es wichtig, die Arbeit möglichst effizient zu organisieren!", fasst er zusammen. Wichtigste Kennzahlen für die Rentabilität seien deshalb der Umsatz je Akh und Umsatz pro Kilogramm verarbeitete Milch. Auch die eigene Produktpalette müsse beachtet werden, denn die meisten Betriebe mit Direktvermarktung hätten ein breites Angebot. Das wiederum zöge natürlich mehr Arbeitszeit nach sich: "Hier darf man sich keinesfalls verzetteln und sollte einen gesunden Kompromiss finden", rät der Fachmann Andreas Kern.
Weiter weiß der Berater, dass das persönliche Geschick der Betriebsleitung eine große Rolle in der Direktvermarktung spielt. Hier werde über Erfolg und Misserfolg entschieden. Denn ohne Kommunikationsfreude und Kreativität, die Marketing und Verkauf in Schwung hielten, werde man mit dieser Vermarktungsform nur schwerlich Erfolg haben.
Anhand einer fiktiven Planungsrechnung (die Daten müssen für eine betriebliche Planungsrechnung unbedingt an die individuellen Gegebenheiten angepasst werden) stellt Andreas Kern sehr anschaulich zwei Betriebe gegenüber: Einer betreibt Direktvermarktung mit 60 Milchziegen und der andere liefert seine Milch an eine Molkerei ab und hält 300 Milchziegen. Dass 60 Ziegen als Zahl angenommen werden, ist nicht willkürlich: Denn wenn ein Betrieb Direktvermarktung im Vollerwerb betreiben möchte, sind – betriebsabhängig – etwa 60 Mutterziegen nötig. Diese Bestandsgröße kann in der Regel noch ohne viel Fremd-Akh gestemmt werden.
Das fiktive Rechenbeispiel zeigt:
1) Wie erwartet liegen die Umsätze in der Direktvermarktung aufgrund der höheren Wertschöpfung höher, im fiktiven Rechenbeispiel etwa dreifach so hoch. Das Geld wird in der Käserei erwirtschaftet! Dafür sind eine hohe Milchleistung und hohe Gehalte an Inhaltsstoffen absolut essenziell. Das wiederum setzt gesunde und leistungsfähige Ziegen voraus. Wie viel Milch in welche Produkte fließt, zeigt folgende Tabelle aus der KTBL-Datensammlung Milchziegenhaltung:
Produkte | Benötigte Milchmenge in Liter für ein Kilogramm Produkt |
---|
Speisequark | 3,5 |
Weichkäse | 8,0 |
Schnittkäse | 10,0 |
Hartkäse | 11,5 |
Welche durchschnittlichen Preise erzielt werden können, zeigt ein EIP-Projekt (Europäische Innovationspartnerschaft Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit), das die Wirtschaftlichkeit von sieben Milchziegenbetrieben in Nordrhein-Westfalen analysiert hat:
- Joghurt: 4,50 Euro je Kilogramm
- Frischkäse: 19,67 Euro je Kilogramm
- Weichkäse: 25,48 Euro je Kilogramm
- Schnittkäse: 27,17 Euro je Kilogramm
2) Die Milchziegenhaltung beinhaltet automatisch die Vermarktung der anfallenden Kitze, die für zusätzliche Umsätze sorgen. Die Kitzvermarktung sollte, wenn möglich, ebenfalls gezielt über die Direktvermarktung geschehen. Hier sind am ehesten noch vernünftige Preise zu erzielen. Denn die Betriebe verfügen bereits - anders als die Betriebe, die ihre Milch an eine Molkerei abliefern - über einen etablierten Marktzugang und haben deswegen einen Vorteil. Die meisten Betriebe, die direkt vermarkten, bekommen alle ihre Kitze verkauft. Im Allgemeinen ist es jedoch so, dass Milch und Milchprodukte einfacher zu vermarkten sind als Fleisch und Fleischprodukte.
3) Die Summe der variablen und fixen Kosten ist in der Direktvermarktung deutlich höher. Die Gründe dafür sind, dass Milchverarbeitung und Vermarktung natürlich Geld kosten und kleinere Tierbestände generell höhere Kosten pro Ziege und Jahr verursachen als größere. Grund- und Kraftfutter stellen für beide Betriebsformen die größten Kostenpunkte dar. Einem Milchziegenbetrieb mit Direktvermarktung sollte also bewusst sein, an welchen Kostenschrauben er noch drehen kann. Neben den Futter- und Arbeitskosten sollte man auch die Investitionskosten für Stall und Käserei nicht aus dem Blick verlieren. Mit Altgebäuden können zum Beispiel Kosten gespart werden.