Direktvermarktung in der MilchziegenhaltungDirektvermarktung in der Milchziegenhaltung

Direktvermarktung in der Milchziegenhaltung

Ob ein Betrieb seine Milch an eine Molkerei abgibt oder sie veredelt ab Hof verkauft, ist eine betriebswirtschaftliche und persönliche Entscheidung. Neueinsteiger sollten beide Möglichkeiten gut abwägen und durchkalkulieren. Direktvermarktung ist zwar der Königsweg, aber keinesfalls ein Selbstläufer.

Es ist kein Geheimnis, dass über Produktveredelung und direkte Vermarktung die besten Preise erlöst werden. Grundsätzlich gilt: Je kleiner die Ziegenbestände sind, desto eher wird selbst vermarktet. Der Anteil der Direktvermarkter ist bei Ziegenbetrieben bis zu 50 Tieren am höchsten. Hofkäsereien, die Ziegenmilchprodukte herstellen und verkaufen, profitieren nach wie vor von einer beständig hohen Nachfrage.

Produkte und Absatzwege

Die Milchziegenhaltung wirft verschiedene Vermarktungsprodukte ab: Fleisch und Wurst, Milch und Milchprodukte wie Käsesorten aller Art, Butter, Sahne, Quark, Joghurt, Kefir und Molke sowie Felle oder Kosmetik aus Ziegenmilch. Die klassische Definition von Direktvermarktung betont die unmittelbare Verbindung zwischen Erzeugerebene und Endkunden. In der Milchziegenhaltung wird das in Praxis und Beratung allerdings nicht scharf getrennt. Hier gehören alle Absatzwege, ausgenommen der Ablieferung an Molkereien, zur Direktvermarktung:

  • Ab-Hof-Verkauf über Käsereien und Hofläden
  • Verkauf ab Hof über Hoffeste, Tag der offenen Tür, gläserne Produktion
  • Verkauf über Automaten entweder ab Hof oder abseits zum Beispiel an befahrenen Straßen
  • Verkauf auf Wochen- oder Bauernmärkten sowohl in Eigenregie als auch mittels Wiederverkäufer
  • Verkauf an Hofläden anderer landwirtschaftlicher Betriebe
  • Die Belieferung der kompletten Außer-Haus-Verpflegung: Gastronomie, Restaurants, Kantinen, Catering
  • Absatz an kleinere, regionale Lebensmitteleinzelhändler wie Bioläden oder Reformhäuser

Direktvermarktung versus Molkerei

Momentan gibt es bundesweit knapp 15 Molkereien und größere Käsereien. Für die Milchablieferung sprechen gute Gründe: Ein Betrieb kann sich so ausschließlich auf die Milcherzeugung konzentrieren. Im Vergleich zur Direktvermarktung ist der Arbeitszeitbedarf um einiges geringer. Die Molkereien nehmen größerer Mengen ab, was bedeutet, verlässlich planen zu können. Neueinsteiger können indes über die vertragliche Milchabnahme eine solidere Finanzierung auf die Beine stellen. Weiter profitieren Milchziegenbetriebe in entlegenen Regionen fern von Kundschaft ebenfalls von dieser Vermarktungsform.

Die Nachteile liegen umgekehrt auf der Hand: Es müssen von Beginn an größere Milchmengen erzeugt werden, was automatisch größere Tierbestände nach sich zieht. Außerdem sind die Betriebe von den Molkereien und deren Milchpreisgestaltung abhängig. Aktuell ist die wirtschaftliche Lage für Bio-Ziegenbetriebe eher angespannt. In 2022 bekamen sie je Kilogramm Milch von den Molkereien etwa 93 Cent. Nach einer Analyse des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) und der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen wird jedoch ein Auszahlungspreis von deutlich über einem Euro benötigt, um rentabel wirtschaften zu können. Ein Ziegenmilchbetrieb kann nach diesen Berechnungen erst dann ein positives Ergebnis erwirtschaften, wenn er über 400 Tiere hält.

Direktvermarktung bedeutet auf der anderen Seite, aktiv und kreativ nach einzelbetrieblichen Lösungen zu suchen. Die höhere Wertschöpfung garantiert auch höhere Preise. Das Familieneinkommen kann so mit einer geringeren Betriebsgröße erwirtschaftet werden. Dem gegenüber steht jedoch ein beträchtlich höherer Arbeitsaufwand. Er übersteigt sogar den der Milchkuhhaltung. Verarbeitet und vermarktet ein Milchziegenbetrieb seine Milch selbst, ist mit über 55 Arbeitskraftstunden (Akh) pro Ziege und Jahr zu rechnen. Die Eigenvermarktung bietet sich deswegen vor allem für Betriebe mit ausreichenden Arbeitskapazitäten an.

Was bedingt den Erfolg?

Wenn sich Milchziegenbetriebe zwischen Direktvermarktung und Ablieferung an eine Molkerei entscheiden müssen, geht es neben den persönlichen Fähigkeiten auch um betriebswirtschaftliche Fragen. Andreas Kern weiß, worauf es hier ankommt, denn er ist Bioland-Fachberater für die süddeutsche Schaf- und Ziegenhaltung und zudem auf Betriebswirtschaft und Betriebsentwicklung spezialisiert. "In der Milchziegenhaltung können zwar hohe Gewinne pro Hektar erwirtschaftet werden, gleichzeitig ist der Arbeitszeitbedarf sehr hoch. Deshalb ist es wichtig, die Arbeit möglichst effizient zu organisieren!", fasst er zusammen. Wichtigste Kennzahlen für die Rentabilität seien deshalb der Umsatz je Akh und Umsatz pro Kilogramm verarbeitete Milch. Auch die eigene Produktpalette müsse beachtet werden, denn die meisten Betriebe mit Direktvermarktung hätten ein breites Angebot. Das wiederum zöge natürlich mehr Arbeitszeit nach sich: "Hier darf man sich keinesfalls verzetteln und sollte einen gesunden Kompromiss finden", rät der Fachmann Andreas Kern.

Weiter weiß der Berater, dass das persönliche Geschick der Betriebsleitung eine große Rolle in der Direktvermarktung spielt. Hier werde über Erfolg und Misserfolg entschieden. Denn ohne Kommunikationsfreude und Kreativität, die Marketing und Verkauf in Schwung hielten, werde man mit dieser Vermarktungsform nur schwerlich Erfolg haben.

Anhand einer fiktiven Planungsrechnung (die Daten müssen für eine betriebliche Planungsrechnung unbedingt an die individuellen Gegebenheiten angepasst werden) stellt Andreas Kern sehr anschaulich zwei Betriebe gegenüber: Einer betreibt Direktvermarktung mit 60 Milchziegen und der andere liefert seine Milch an eine Molkerei ab und hält 300 Milchziegen. Dass 60 Ziegen als Zahl angenommen werden, ist nicht willkürlich: Denn wenn ein Betrieb Direktvermarktung im Vollerwerb betreiben möchte, sind – betriebsabhängig – etwa 60 Mutterziegen nötig. Diese Bestandsgröße kann in der Regel noch ohne viel Fremd-Akh gestemmt werden.

Das fiktive Rechenbeispiel zeigt:

1) Wie erwartet liegen die Umsätze in der Direktvermarktung aufgrund der höheren Wertschöpfung höher, im fiktiven Rechenbeispiel etwa dreifach so hoch. Das Geld wird in der Käserei erwirtschaftet! Dafür sind eine hohe Milchleistung und hohe Gehalte an Inhaltsstoffen absolut essenziell. Das wiederum setzt gesunde und leistungsfähige Ziegen voraus. Wie viel Milch in welche Produkte fließt, zeigt folgende Tabelle aus der KTBL-Datensammlung Milchziegenhaltung:

Produkte

Benötigte Milchmenge in Liter

für ein Kilogramm Produkt

Speisequark

3,5

Weichkäse

8,0

Schnittkäse

10,0

Hartkäse

11,5

Welche durchschnittlichen Preise erzielt werden können, zeigt ein EIP-Projekt (Europäische Innovationspartnerschaft Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit), das die Wirtschaftlichkeit von sieben Milchziegenbetrieben in Nordrhein-Westfalen analysiert hat:

  • Joghurt: 4,50 Euro je Kilogramm
  • Frischkäse: 19,67 Euro je Kilogramm
  • Weichkäse: 25,48 Euro je Kilogramm
  • Schnittkäse: 27,17 Euro je Kilogramm

2) Die Milchziegenhaltung beinhaltet automatisch die Vermarktung der anfallenden Kitze, die für zusätzliche Umsätze sorgen. Die Kitzvermarktung sollte, wenn möglich, ebenfalls gezielt über die Direktvermarktung geschehen. Hier sind am ehesten noch vernünftige Preise zu erzielen. Denn die Betriebe verfügen bereits - anders als die Betriebe, die ihre Milch an eine Molkerei abliefern - über einen etablierten Marktzugang und haben deswegen einen Vorteil. Die meisten Betriebe, die direkt vermarkten, bekommen alle ihre Kitze verkauft. Im Allgemeinen ist es jedoch so, dass Milch und Milchprodukte einfacher zu vermarkten sind als Fleisch und Fleischprodukte.

3) Die Summe der variablen und fixen Kosten ist in der Direktvermarktung deutlich höher. Die Gründe dafür sind, dass Milchverarbeitung und Vermarktung natürlich Geld kosten und kleinere Tierbestände generell höhere Kosten pro Ziege und Jahr verursachen als größere. Grund- und Kraftfutter stellen für beide Betriebsformen die größten Kostenpunkte dar. Einem Milchziegenbetrieb mit Direktvermarktung sollte also bewusst sein, an welchen Kostenschrauben er noch drehen kann. Neben den Futter- und Arbeitskosten sollte man auch die Investitionskosten für Stall und Käserei nicht aus dem Blick verlieren. Mit Altgebäuden können zum Beispiel Kosten gespart werden.

Aufbau einer Käserei

Für den Aufbau einer eigenen Käserei braucht ein Betrieb ausreichend Platz. Denn laut KTBL-Datensammlung Milchziegenhaltung gilt es, verschiedene Räumlichkeiten unterzubringen: Hygieneschleuse, Verarbeitungs- und Spülraum, Reifungsraum, Abpack- und Lagerraum sowie Kühlraum und Bretterlager. Hier spielen nicht nur arbeitswirtschaftliche Gründe eine Rolle, sondern auch hygienische. Die Käserei darf zum Beispiel keinen direkten Zugang zum Stall oder Melkstand haben, Wände und Böden sollten gefliest sein und auf Insektenschutz vor Fenstern und Türen ist ebenso zu achten.

Der Mindestraumbedarf in Quadratmeter ergibt sich aus der Grundfläche der Einrichtungsgegenstände multipliziert mit vier. Die Investitionskosten für eine Hofkäserei mit zirka 60 Tierplätzen wird mit mindestens 150.000 Euro beziffert.

Bestehen keine baulichen Möglichkeiten, eine Hofkäserei innerhalb der Stallgebäude einzubinden, bietet sich eine komplett ausgestattete eigene Käserei in einem Container an. Eine derartige Containerlösung bündelt alle benötigten Räumlichkeiten modular und kann bei Platzmangel neben dem Stall oder auch abseits des Betriebes aufgestellt werden. Auch hinsichtlich der Investitionskosten kann das die günstigste Variante sein: Inklusive Fundament und Einrichtung muss man hier bei 45 Tierplätzen mit rund 100.000 Euro rechnen.

Rechtliche und ökonomische Beratung

Milchziegenbetriebe, die ausschließlich eigene Erzeugnisse vermarkten, bewegen sich immer im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes und müssen kein Gewerbe anmelden. Milch, Milchprodukte und Käse aus einer eigenen Käserei zählen zu den landwirtschaftlichen Urprodukten. Vorsicht ist geboten, wenn Eigenerzeugnisse nicht mehr zu den Urprodukten zählen, wie zum Beispiel Speiseeis aus Ziegenmilch, da dann rechnerische Umsatzanteile relevant werden. Weil es außerdem fünf sehr umfassende Verordnungen auf EU- und nationaler Ebene gibt, die Milchziegenbetriebe und deren Vermarktung betreffen können, ist eine rechtliche Beratung unumgänglich. Der Verband für handwerkliche Milchverarbeitung e. V. (VHM Deutschland) bietet diesbezüglich betriebsspezifische Hilfe an, indem er die jeweilige Rechtslage verständlich in die Praxis übersetzt. Außerdem führt er Käsereilehrgänge und Käseprüfungen durch. Weiter ist es wichtig, die zuständige Veterinärbehörde zu kontaktieren.

Wer in die Milchziegenhaltung neu einsteigen, investieren oder sie ausbauen möchte, sollte genau kalkulieren. Die Wirtschaftlichkeit einer Direktvermarktung ist ein speziell betriebsindividuelles und komplexes Thema. Der Verband Bioland e. V. bietet eine bundesweite, betriebswirtschaftliche Fachberatung an. Zur ersten Orientierung sind auch Faustzahlen und Planungsbeispiele in der KTBL-Datensammlung Milchziegenhaltung zu finden.


Letzte Aktualisierung 09.11.2022

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