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Neben Bruderhahn und Zweinutzungshuhn bietet vor allem die Geschlechtsbestimmung im Brutei eine echte Alternative zum Töten männlicher Küken. Ein Überblick über verschiedene Verfahren.
Die männlichen Tiere der Legehennenherkünfte lassen sich nicht wirtschaftlich großziehen, weil sie zu wenig Fleisch ansetzen. Daher wurden die männlichen Küken in den Brütereien direkt nach dem Schlüpfen getötet und zum Beispiel in Tierparks verfüttert. In Deutschland waren das jedes Jahr etwa 40 bis 50 Millionen Küken. Dies ist gesellschaftlich nicht mehr anerkannt und in Deutschland seit 2022 verboten.
Seit Januar 2022 ist in Deutschland ein Gesetz in Kraft, nach dem das Töten von Eintagsküken verboten ist. Darüber hinaus wird ab dem 1. Januar 2024 das Töten von Hühnerembryonen im Ei nach dem 6. Bebrütungstag untersagt sein. Nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist der Hühnerembryo vor dem siebten Bebrütungstag noch nicht in der Lage, Schmerzen zu empfinden. Ab dem siebten Bebrütungstag ist dagegen die beginnende Entwicklung des Schmerzempfindens nicht auszuschließen. Die bestehenden Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Brutei sollen weiterentwickelt werden, sodass die Geschlechtsbestimmung vor dem siebten Bruttag erfolgen kann.
Seit einigen Jahren werden unterschiedliche Ansätze verfolgt, um das Kükentöten zu minimieren. Vor allem Öko-Anbauverbände setzen auf die Aufzucht der männlichen Küken in verschiedenen Bruderhahninitiativen wie zum Beispiel haehnlein, Ei-Care oder Spitz und Bube. Dort werden die Hähne der Legehennenlinien knapp fünf Monate lang aufgezogen und dann geschlachtet. Um die schlechte Mastleistung der auf Legeleistung gezüchteten Linien finanziell auszugleichen, wird meist ein "Bruderhahn-Zuschlag" auf die Eier erhoben. Die hohen Aufzuchtkosten der Hähne werden so querfinanziert. Das Schlachtgewicht der Bruderhähne beträgt 1200 bis 1300 g.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgen "Stubenküken"-Projekte, bei denen ebenfalls die männlichen Tiere der Legeleistungslinien etwa fünf Wochen aufgezogen werden und ein Schlachtgewicht von 450 bis 500 g haben.
Die Rückbesinnung und Umzüchtung auf das Doppel-Nutzungshuhn ist eine weitere Alternative. Hier gab und gibt es einige Ansätze bei den Hybriden wie die Lohmann Dual-Züchtung oder Gebrauchskreuzungen wie das Kollbecksmoor-Huhn und das Hermannsdorfer Landhuhn. Die Zweinutzungshennen kommen allerdings in der Legeleistung nicht an moderne Hybriden heran und haben zudem noch einen höheren Futterverbrauch.
Die Nachteile bei allen Bruderhahn- und Dualhahn-Lösungen ist die relativ lange Mastdauer der männlichen Tiere mit hohen Futterkosten und dem geringen Anteil an Brustfleisch, dem von den Verbraucherinnen und Verbraucherinnen geschätzten wertvollen Teilstück. Das schlägt sich auf die Wirtschaftlichkeit nieder. Auch können Bruderhähne und Zweinutzungshähne nicht die Hähnchenmast in Gänze ersetzen, sie werden immer nur für ein spezielles Verbraucher-Segment interessant sein.
Eine andere Herangehensweise an das Problem des Kükentötens ist die Geschlechtsbestimmung schon im Brutei. Der Vorteil besteht darin, dass die männlichen Tiere gar nicht erst ausgebrütet werden. Grob unterscheiden lassen sich die Verfahrensansätze zur Geschlechtsbestimmung im Brutei in
Bei der Herangehensweise stellen sich den Wissenschaftlern einige Fragen: Muss die Eischale für das Verfahren geöffnet werden? Muss Gewebe, Blut oder Flüssigkeit entnommen werden? Welches bildgebende Verfahren kommt zum Einsatz, wird die Keimscheibe oder werden die Blutgefäße untersucht? Wie erprobt und anerkannt sind das Verfahren und die notwendigen Analysen (z. B. PCR, ELISA, Spektralanalyse)? Zwei Verfahren, die Hormonbestimmung am neunten Tag und die Durchleuchtung am dritten Tag, haben sich in Deutschland bisher am vielversprechendsten gezeigt.
Bei der Hormonbestimmung wird am neunten Tag des Bebrütens, nach derzeitigem Stand der Forschung vor dem Einsetzen des Schmerzempfindens, ein kleines Loch seitlich in die Eischale gebohrt und ein Tropfen Harn (Allantoisflüssigkeit) entnommen. Mit Hilfe der Marker Östradiol und Östronsulfat können hormonelle Unterschiede im Geschlecht erkannt werden, je nachdem, wie sich die Testflüssigkeit färbt. Wenn das gesuchte Hormon gefunden wird, handelt es sich um einen weiblichen Embryo, wenn es fehlt, ist es ein männlicher Embryo.
Die Eier mit weiblichen Embryonen werden weiter ausgebrütet. In der bisherigen Forschung wurden keine signifikanten Unterschiede im Kükenkörpergewicht beim Schlupf und bei den Leistungsparametern nach der Aufzucht festgestellt.
Die SELEGGT-GmbH hat die endokrinologische Geschlechtsbestimmung im Ei mit Fokus auf einen hohen Durchsatz und Beprobungserfolg weiterentwickelt – Ziel ist die baldige Serienreife. Nach Angaben des Unternehmens ist die Untersuchung von 3.500 Eier pro Stunde möglich. Die Vorteile dieses Verfahrens sind die hohe Genauigkeit und die geringen Schlupfeinbußen, nachteilig sind der relativ späte Zeitpunkt der Geschlechtsbestimmung und die damit einhergehenden hohen Verbrauchskosten pro Ei.
Bei den optischen Methoden (Spektroskopie) wird das Geschlecht des Embryos unter Einsatz von Licht bzw. Lasern ermittelt. Das Verfahren zeigt ein charakteristisches Verhalten des Eis ("Fingerabdruck"), bei dem Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Embryos sichtbar werden, zum Beispiel die Größe des Genoms. Diese Methoden sind schon 72 Stunden nach dem Legen des Eis möglich. Eine noch frühere Untersuchung, z. T. schon am unbebrüteten Ei, hätte den Vorteil, dass die Hälfte der Brutkosten eingespart werden könnten. Die Untersuchung unbebrüteter Eier ist prinzipiell möglich, birgt aber Risiken: Das Öffnen der Kalkschale am unbebrüteten Ei hat einen deutlichen Rückgang der Schlupfrate zur Folge, da die Keimscheibe, welche den (befruchteten) Zellkern enthält, in diesem Stadium sehr sensibel auf Milieuveränderungen reagiert.
Nach drei Tagen Brutzeit scheint das Ei dagegen stabiler zu sein und die Eingriffe haben keine nennenswerte Auswirkung mehr auf die weitere Entwicklung des Embryos. Nach 72 Stunden Bebrütungszeit sind außerdem die Blutgefäße schon ausgebildet und können spektroskopisch ausgewertet werden. Bei dem vom BMEL geförderten und von der Universität Leipzig durchgeführten Forschungsprojekt "In-ovo-Geschlechtsbestimmung beim Haushuhn" werden die Blutgefäße des Embryos durch die Eierschale gescannt. Dazu wird mit einem CO2-Laser ein 12 mm großes Loch in die Kalkschale geschnitten. Das Eihäutchen unter der Schale bleibt dabei intakt. Dabei muss sichergestellt sein, dass der Laserstrahl so fokussiert ist, dass keine energiereiche Strahlung ins Innere des Eis gerät und den Embryo schädigt.
Mit Hilfe der Raman-Spektroskopie können Unterschiede im Erbmaterial in den roten Blutkörperchen sichtbar gemacht werden. Durch die unterschiedlichen Frequenzen des zurückgeworfenen Lichts kann innerhalb weniger Sekunden das Geschlecht bestimmt werden. Das Loch in der Kalkschale wird mit einem Gaze-Material verschlossen und die weiblichen Eier kommen wieder zurück in den Brutschrank. Die männlichen Eier werden beispielsweise als Futtermittel in der Kosmetikindustrie oder in der technischen Industrie genutzt. Die Herausforderungen bei dieser Methode bestehen dabei in der notwendigen Lochgröße, der Auffindbarkeit der Blutgefäße und im Wiederverschluss des Eis.
Neben dem frühen Zeitpunkt ist ein weiterer Vorteil dieser Methode, dass sie berührungsfrei abläuft, also keine Entnahme von Gewebe stattfindet, bei der unter Umständen Keime eingebracht werden könnten. Der Embryo wird nicht geschädigt. Ein Nachteil ist aber das relativ große Loch in der Kalkschale von über einem Zentimeter Durchmesser, das unter Umständen zu höheren Schlupfeinbußen führen könnte. Die Untersuchung von 30.000 bis 40.000 Eiern pro Stunde ist möglich, so die Wissenschaftler.
Das niederländische Biotechnologie-Start-up In Ovo mit Sitz in Leiden hat ebenfalls eine Methode zur Geschlechtsbestimmung entwickelt. Die Technologie basiert auf patentierten Biomarkern, die es erlauben, das Geschlecht des Hühnerembryos im Ei endokrinologisch schon früh nach der Befruchtung zu bestimmen. Bei dem In-Ovo-Verfahren wird das Ei mit einem kleinen wiederverschließbaren Loch versehen, ähnlich wie beim Standardverfahren für die Impfung von Hühnerembryonen im Ei. Anschließend wird eine Probe entnommen und massenspektrometrisch auf den von In Ovo identifizierten Biomarker untersucht. Eine Maschine für die Anwendung in großem Maßstab in Brütereien ist unter dem Namen Ella mittlerweile auf dem Markt.
Das Hypereye-Verfahren stammt aus Kanada. Eine "hyperspektrale" Bildgebung am unbebrüteten Ei soll laut Entwicklern sowohl eine Fertilitätskontrolle als auch eine Geschlechtsbestimmung ermöglichen.
Das Verfahren aus Israel will mit Hilfe von gentechnisch veränderten Elternhennen das Geschlecht erkennen. Dabei wird das Z-Chromosom der Elternhennen mit einem von Quallen stammenden, grün leuchtenden Fluoreszenz-Marker markiert. Bei der Verpaarung mit gentechnisch unveränderten Hähnen werden schon vor dem Ausbrüten die männlichen Eier anhand ihres Leuchtverhaltens unter LED-Licht erkannt und aussortiert. Die weiblichen Eier werden ausgebrütet, die Legehennenküken tragen keine Fremdgene.
Wie geht es jetzt weiter? Nicht alle der vorgestellten Methoden sind hinreichend wissenschaftlich untersucht bzw. anerkannt. Allen Brutei-Erkennungsmethoden ist gemeinsam, dass sie sich nur in der Wirtschaft durchsetzen werden, wenn sie kostengünstig und schon zu einem frühen Zeitpunkt angewandt werden können. Die möglichst frühe Geschlechtsbestimmung ist unter anderem auch deshalb wichtig, um Kritik von Tierschutz- und Öko-Anbauverbänden zu begegnen, dass dem wachsenden Embryo Schmerzen zugefügt werden könne. Das Schmerzempfinden des Hühnerembryos beginnt nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand ab dem siebten Tag.
Außerdem muss das gewählte Verfahren eine sehr hohe Genauigkeit haben, damit möglichst wenig falsche Entscheidungen getroffen werden, also männliche Küken weiter ausgebrütet werden oder weibliche Küken fälschlicherweise aussortiert werden. Das Verfahren muss weiterhin für die große Breite praxisreif sein und sich ohne große Zeitverluste in den Brüterei-Alltag integrieren lassen. In der Geflügelbranche werden 100.000 Eier pro Tag als Anforderung genannt.
Die Anschaffungskosten und die Kosten im laufenden Betrieb werden am Ende entscheidend für die Durchsetzung am Markt sein. Zentral ist außerdem, dass die Verfahren die Eier nicht zerstören oder Auswirkungen auf die Bruthygiene und die Schlupfrate haben. Für die Kontrolle ist die Dokumentation bzw. Rückverfolgbarkeit (z. B. Blockchain) entscheidend. Für die Akzeptanz in der Gesellschaft ist es vor dem Hintergrund der Tierwohl-Debatte wichtig, dass die Geschlechtserkennung vor dem Einsetzen des Schmerzempfindens stattfindet und die aussortierten Eier nicht weggeworfen werden, sondern in der Kosmetikindustrie oder als Futtermittel verwertet werden.
Letzte Aktualisierung 02.08.2022