Neben dem frühen Zeitpunkt ist ein weiterer Vorteil dieser Methode, dass sie berührungsfrei abläuft, also keine Entnahme von Gewebe stattfindet, bei der unter Umständen Keime eingebracht werden könnten. Der Embryo wird nicht geschädigt. Ein Nachteil ist aber das relativ große Loch in der Kalkschale von über einem Zentimeter Durchmesser, das unter Umständen zu höheren Schlupfeinbußen führen könnte. Die Untersuchung von 30.000 bis 40.000 Eiern pro Stunde ist möglich, so die Wissenschaftler.
Endokrinologische Untersuchung mit Biomarkern "In Ovo"
Das niederländische Biotechnologie-Start-up In Ovo mit Sitz in Leiden hat ebenfalls eine Methode zur Geschlechtsbestimmung entwickelt. Die Technologie basiert auf patentierten Biomarkern, die es erlauben, das Geschlecht des Hühnerembryos im Ei endokrinologisch schon früh nach der Befruchtung zu bestimmen. Bei dem In-Ovo-Verfahren wird das Ei mit einem kleinen wiederverschließbaren Loch versehen, ähnlich wie beim Standardverfahren für die Impfung von Hühnerembryonen im Ei. Anschließend wird eine Probe entnommen und massenspektrometrisch auf den von In Ovo identifizierten Biomarker untersucht. Eine Maschine für die Anwendung in großem Maßstab in Brütereien ist unter dem Namen Ella mittlerweile auf dem Markt.
Hypereye
Das Hypereye-Verfahren stammt aus Kanada. Eine "hyperspektrale" Bildgebung am unbebrüteten Ei soll laut Entwicklern sowohl eine Fertilitätskontrolle als auch eine Geschlechtsbestimmung ermöglichen.
EggXYt
Das Verfahren aus Israel will mit Hilfe von gentechnisch veränderten Elternhennen das Geschlecht erkennen. Dabei wird das Z-Chromosom der Elternhennen mit einem von Quallen stammenden, grün leuchtenden Fluoreszenz-Marker markiert. Bei der Verpaarung mit gentechnisch unveränderten Hähnen werden schon vor dem Ausbrüten die männlichen Eier anhand ihres Leuchtverhaltens unter LED-Licht erkannt und aussortiert. Die weiblichen Eier werden ausgebrütet, die Legehennenküken tragen keine Fremdgene.
Methoden müssen sich in der Praxis durchsetzen
Wie geht es jetzt weiter? Nicht alle der vorgestellten Methoden sind hinreichend wissenschaftlich untersucht bzw. anerkannt. Allen Brutei-Erkennungsmethoden ist gemeinsam, dass sie sich nur in der Wirtschaft durchsetzen werden, wenn sie kostengünstig und schon zu einem frühen Zeitpunkt angewandt werden können. Die möglichst frühe Geschlechtsbestimmung ist unter anderem auch deshalb wichtig, um Kritik von Tierschutz- und Öko-Anbauverbänden zu begegnen, dass dem wachsenden Embryo Schmerzen zugefügt werden könne. Das Schmerzempfinden des Hühnerembryos beginnt nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand ab dem siebten Tag.
Außerdem muss das gewählte Verfahren eine sehr hohe Genauigkeit haben, damit möglichst wenig falsche Entscheidungen getroffen werden, also männliche Küken weiter ausgebrütet werden oder weibliche Küken fälschlicherweise aussortiert werden. Das Verfahren muss weiterhin für die große Breite praxisreif sein und sich ohne große Zeitverluste in den Brüterei-Alltag integrieren lassen. In der Geflügelbranche werden 100.000 Eier pro Tag als Anforderung genannt.
Die Anschaffungskosten und die Kosten im laufenden Betrieb werden am Ende entscheidend für die Durchsetzung am Markt sein. Zentral ist außerdem, dass die Verfahren die Eier nicht zerstören oder Auswirkungen auf die Bruthygiene und die Schlupfrate haben. Für die Kontrolle ist die Dokumentation bzw. Rückverfolgbarkeit (z. B. Blockchain) entscheidend. Für die Akzeptanz in der Gesellschaft ist es vor dem Hintergrund der Tierwohl-Debatte wichtig, dass die Geschlechtserkennung vor dem Einsetzen des Schmerzempfindens stattfindet und die aussortierten Eier nicht weggeworfen werden, sondern in der Kosmetikindustrie oder als Futtermittel verwertet werden.