Antibiotika-Resistenzen bekämpfenAntibiotika-Resistenzen bekämpfen

Wie gehen wir mit Antibiotika in der Tierhaltung um?

Die Wirksamkeit von Antibiotika nimmt weltweit ab, weil Bakterien immer unempfindlicher gegen Antibiotika werden - sie werden resistent. Diese Resistenzen sind weltweit eine Bedrohung für die Gesundheit von Mensch und Tier. Um weitere Antibiotikaresistenzen zu vermeiden, gibt es verschiedene Maßnahmen in Deutschland und der EU. Doch was verbirgt sich hinter den Begriffen Antibiotikakennzahlen, Therapiehäufigkeiten und Reserveantibiotika?

Antibiotika sind lebensrettend, doch leider sinkt die Wirksamkeit dieser Medikamente weltweit, weil Bakterien gegenüber Antibiotika zunehmend unempfindlich werden, man sagt: sie bilden eine Resistenz aus. Dieser Prozess schreitet unaufhörlich voran, denn multiresistente, also gegen mehrere Antibiotika unempfindliche Mikroorganismen, breiten sich immer mehr aus.

Antibiotika nur noch zur Therapie

Lange wurden Antibiotika zu häufig eingesetzt, sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin, weil man nichts über die Resistenzen wusste. Zudem gab es früher eine nicht-therapeutische Verwendung von antimikrobiellen Substanzen als Leistungsförderer im Futter von Tieren. Es wurden hierfür die gleichen Antibiotika eingesetzt wie in der Therapie bei Mensch und Tier. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die Dosierung der Antibiotika mit wachstumsfördernder Wirkung deutlich niedriger war als bei der therapeutischen Anwendung. Dadurch wurden nicht alle Bakterien getötet, und die überlebenden konnten sich anpassen, also resistent werden.

Dies hat die Resistenzentwicklung unter den Bakterien zusätzlich gefördert und führte im Januar 2006 zu einem Verbot antibiotischer Leistungsförderer in der EU. Seitdem erhalten Tiere Antibiotika nur noch zu therapeutischen Zwecken.

Neben der Therapie von erkrankten Tieren existiert noch die Einsatzmöglichkeit der Metaphylaxe, allerdings nur in Ausnahmefällen. Metaphylaxe beschreibt die Verabreichung eines Arzneimittels an eine Gruppe von Tieren, wenn bei einem Teil der Gruppe eine Erkrankung diagnostiziert wurde. Sie hat zwei Ziele: Die klinisch erkrankten Tiere zu behandeln und die Ausbreitung der Erkrankung auf die gesamte Tiergruppe einzudämmen. Prophylaxe, also die Verabreichung eines Antibiotikums an ein Tier oder eine Gruppe von Tieren, bevor klinische Anzeichen einer Erkrankung auftreten, ist in der Veterinärmedizin verboten.

Antibiotikamonitoring seit 2011

Aufgrund der besorgniserregenden Resistenzentwicklung ist klar, dass der Einsatz der Antibiotika insgesamt reduziert werden muss. Ganz nach dem Motto "Nur was man messen kann, kann man auch verbessern“ sind pharmazeutische Unternehmen und Großhändler seit dem Jahr 2011 gesetzlich dazu verpflichtet, die Mengen an Antibiotika, die jährlich an Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland abgeben werden, an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zu melden. Die Gesamtabgabemenge lässt sich einzelnen Tierarten nicht zuordnen, da die meisten Tierarzneimittel für mehrere Tierarten zugelassen sind. Das BVL beobachtet die Resistenzentwicklung bei Mikroorganismen, um deren Verbreitung durch wirksame Managementmaßnahmen entgegen zu wirken. Außerdem führt es deutschlandweite Überwachungsstudien zur Resistenz bei Bakterien von Lebensmittel liefernden Tieren und Heimtieren durch. Praktizierende Tierärzte können auf Basis der Ergebnisse des BVL eine sinnvolle Vorauswahl der zur Behandlung geeigneten Antibiotika treffen.

Zusätzlich werden seit 2014 in Deutschland im Rahmen des Antibiotikaminimierungskonzeptes die Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit erfasst. Die Therapiehäufigkeit ergibt sich aus der Anzahl behandelter Tiere multipliziert mit der Anzahl Behandlungstage geteilt durch die durchschnittliche Anzahl gehaltener Tiere pro Halbjahr. Kerngedanke ist der Vergleich der individuellen Therapiehäufigkeit eines Betriebes mit Kennzahlen zur bundesweiten Therapiehäufigkeit. Der Vergleich erfolgt getrennt nach Nutztierarten und Altersklassen. Aus den ermittelten Kennzahlen werden bei festgestellten Überschreitungen in Mastbetrieben im Rahmen eines Benchmarkingsystems gemeinsam mit dem Tierarzt Konzepte zur Antibiotikaminimierung erarbeitet. In der Regel werden umfangreiche diagnostische Maßnahmen und Antibiogramme durchgeführt.

Die Therapiehäufigkeiten wurden bis 2022 zweimal jährlich vom BVL veröffentlicht. Mit dem neuen Tierarzneimittelgesetz (TAMG) seit Anfang 2023 erfolgt die Veröffentlichung nur noch jährlich zum 15. Februar eines Jahres. Außerdem liegt die Meldepflicht des Antibiotikaeinsatzes nun beim Tierarzt und nicht mehr wie bislang beim Tierhalter. Die Erfassung der antibakteriell wirksamen Arzneimittel in der Masttierhaltung erfolgt über eine Datenbank des Herkunftssicherungs- und Informationssystems für Tiere (HI-Tier). Neu ist auch, dass ab 2023 die Antibiotikaanwendungen bei allen Nutzungsarten und Altersgruppen der Tierarten Rind, Schwein, Huhn und Pute erfasst werden. Ausgenommen sind nur Betriebe, die weniger Tiere halten als die Bestandsuntergrenzen der Antibiotika-Arzneimittel-Verwendungsverordnung vorgeben.

Reserveantibiotika für den Menschen

Um Antibiotikaresistenzen zu reduzieren, muss auch der Einsatz bestimmter Wirkstoffklassen eingeschränkt werden. Aus diesem Grund hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) im Jahr 2019 eine Kategorisierung der Antibiotikaklassen für die Veterinärmedizin vorgenommen. Das Ergebnis ist eine Liste bestimmter Antibiotika, sogenannter Reserveantibiotika, die in der Nutztierhaltung möglichst nicht mehr eingesetzt werden sollen. Beim Menschen sind sie unentbehrlich, wenn gängige Antibiotika nicht mehr wirken, weshalb ihre Wirksamkeit unbedingt erhalten bleiben muss. Zu den Reserveantibiotika gehören die Fluorchinolone, Cephalosporine der 3. und 4. Generation und Colistin.

Das oberste Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der EU ist eine weitere Verschlechterung der Resistenzlage zu verhindern und eine Reduktion des Antibiotikaeinsatzes zu erreichen. Diese Reduktion kann im Bereich der Veterinärmedizin durch Hygienemaßnahmen, Impfungen, den Einsatz von Prä- und Probiotika sowie pflanzlichen Substanzen, Verbesserungen in Zucht, Haltung, Fütterung und fundiertes Fachwissen gelingen. Eine tierärztliche Bestandbetreuung kann hierbei einen großen Beitrag leisten. Denn gesunde Tiere brauchen keine Antibiotika. Alle Maßnahmen, die die Gesundheit der Tiere fördern, tragen somit zu einer Verringerung antibiotikaresistenter Bakterien bei diesen Tieren - und indirekt auch beim Menschen - bei.

Antibiotikaeinsatz geht zurück

Die bisherigen Maßnahmen der EU sowie Maßnahmen auf nationaler Ebene haben bereits zu einer deutlichen Verringerung des Antibiotikaeinsatzes bei Tieren geführt. Die Menge der in der Tiermedizin abgegebenen Antibiotika in Deutschland ist im Jahr 2022 ähnlich wie in den Vorjahren erneut zurückgegangen. Das meldet das BVL in seiner jährlichen Auswertung. Die Abgabemenge sank im Vergleich zum Vorjahr um 61 Tonnen auf 540 Tonnen (minus 10,1 Prozent). Betrachtet man den Zeitraum seit Beginn der Erfassung im Jahr 2011, ist die abgegebene Antibiotikamenge um rund 68 Prozent gesunken.

Abbildung 1: Vergleich der regionalen Antibiotika-Abgabemengen 2011 und 2022

Und auch EU-weit geht der Antibiotikaeinsatz in der Tiermedizin konstant zurück, wie im jährlichen Bericht der EMA (PDF), erarbeitet im European Surveillance of Veterinary Antimicrobial Consumption (ESVAC) Projekt, nachzulesen ist. Insgesamt 31 Länder der EU melden ihre Antibiotikaabgaben seitens der pharmazeutischen Industrie. Für die 25 Länder, die zwischen 2011 und 2021 kontinuierlich Verkaufsdaten bereitgestellt haben, gingen die Verkäufe in diesem Zeitraum um 46,5 Prozent zurück.


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