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Der Umbruch in der deutschen Schweinehaltung ist in vollem Gange, denn viele Betriebe möchten ihre Tiere in einer höheren Haltungsstufe halten. Dafür ist jedoch meist ein Umbau oder Neubau der Ställe nötig. Welche Kriterien geben die einzelnen Haltungsstufen vor und wie kann die Umstellung gelingen?
Viele Schweinehalter wollen ihre Ställe zu Tierwohlställen der Haltungsstufen 3 und 4 umbauen. Dafür gibt es viele Gründe, dazu zählen unter anderem die Bestrebungen des Lebensmitteleinzelhandels, ab 2030 nur noch Haltungsform 3 und 4 für Frischfleisch und Tiefkühlware zu verkaufen. Aber auch die neue staatliche Tierhaltungskennzeichnung bietet Anreize für die Umstellung und nicht zuletzt wird die Akzeptanz für Fleisch aus konventioneller Haltung in Zukunft eher ab- als zunehmen.
Zukünftig sollen Haltungssysteme für Schweine tier- und umweltgerechter sein. Für die Sauen bedeutet das Bewegungsbuchten in der Abferkelung, für die Mast Außenklima mit Auslauf - und über alle Haltungssysteme mehr Funktionsbereiche, mehr Platz und organisches Beschäftigungsmaterial.
Dabei gilt es, die Anforderungen der TA-Luft an Umwelt und Hygiene zu beachten sowie den Emissionsschutz. Hinzu kommen Anforderungen durch die Teilnahme an Tierhaltungsprogrammen und der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung. Es gilt einen Kompromiss zu finden zwischen hohen Leistungen und mehr Tierwohl. Kompromiss deshalb, weil alle Beteiligten mehr Tierwohl und Umweltschutz möchten, es aber auch für alle bezahlbar sein muss. Auch die Begriffe Nachhaltigkeit und Transparenz gewinnen deutlich an Bedeutung.
Diese Anforderungen an die Schweinehaltung der Zukunft sind durch Neubauten realisierbar, aber für die meisten Betriebe nur schwer oder nicht finanzierbar. Die Nutzung von Bestandsgebäuden durch Umbau kann eine ebenso gute Lösung sein. Bevor gebaut oder umgebaut wird, ist zu prüfen, wie viel und welches Tierwohlniveau der jeweilige Markt zu bezahlen bereit ist. Direktvermarkter und Erzeuger kleiner Einheiten können hier anders planen als Schweinemäster mit sehr großen Beständen.
Hinter den Labeln verbirgt sich mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher Markenfleischprogramme. Sinnvoll ist, sich ausführlich über die in der eigenen Region möglichen Programme zu informieren. Ist ein passendes Programm gefunden, sollte frühzeitig Kontakt aufgenommen werden, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu klären. Längerfristige Abnahmeverträge mit Preisgarantien geben Planungssicherheit.
Beide Systeme, Haltungsform.de und das staatliche, verpflichtende Tierhaltungskennzeichen, sollen für mehr Transparenz im Labeldschungel sorgen und damit dem Verbraucher helfen, die richtige Kaufentscheidung zu treffen. Sie existieren nebeneinander im Markt, die Kriterien bei den Haltungsstufen sind allerdings mittlerweile nahezu identisch.
Im April 2019 haben mehrere große deutsche Lebensmittelhändler mit Hilfe der Initiative Tierwohl ein einheitliches, vierstufiges Kennzeichnungssystem eingeführt: Haltungsform.de
Das Haltungsform-Label ist selbst kein Tierwohlprogramm. Es ordnet lediglich bestehende Tierwohlprogramme - wie zum Beispiel die Initiative Tierwohl (ITW) oder Neuland - einer Stufe zu.
Seit dem 1. Juli 2024 ist die Haltungsform-Kennzeichnung fünfstufig. Hinzugekommen ist die Haltungsform "Bio". Die bislang vierte Stufe wurde hierfür aufgeteilt. Diese Änderung fand statt aufgrund des neuen staatlichen Tierhaltungskennzeichens, welches ebenfalls aus fünf Stufen besteht. Die Teilnahme am Label ist freiwillig.
Mit "Haltungsform.de" ordnet die Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH bereits bestehende Tierwohl-Standards fünf Haltungsstufen zu. Sie wurden Anfang 2024 aktualisiert und auf das staatliche Tierhaltungskennzeichen angepasst:
Fleisch von Tieren, das mit dem roten Label der Stufe 1 gekennzeichnet ist, kommt aus einer Tierhaltung, die dem gesetzlichen Standard entspricht. Grundlage ist hier die Schweinehaltungshygieneverordnung (SchHaltHygV). Die Futtermittel müssen QS-zertifiziert sein und den Tieren steht organisches Beschäftigungsmaterial zu.
Das blaue Label der Stufe 2 kennzeichnet Fleisch aus einer Tierhaltung, die über die gesetzlichen Standards hinausgeht. Dazu gehört auch Fleisch aus Betrieben, die an der Initiative Tierwohl teilnehmen. Das bedeutet, die Schweine haben mindestens zehn Prozent mehr Platz im Stall als gesetzlich vorgeschrieben und ihnen steht zusätzliches organisches und rohfaserreiches Beschäftigungsmaterial zur Verfügung. Die Futtermittel müssen QS-zertifiziert sein.
Das orange Label der Stufe 3 kennzeichnet Fleisch von Schweinen, die Zugang zu Außenbereichen haben. Stroh oder vergleichbares Material als Einstreu oder Raufutter ist Pflicht. Die Tiere erhalten 40 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben und das Futter muss frei von Gentechnik sein.
Mit dem hellgrünen Label der Stufe 4 wird Schweinefleisch aus Auslauf- und Freilandhaltung gekennzeichnet. Dazu gehören unter anderem 100 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben und ständiger Zugang zu einem Auslauf oder Freilandhaltung. Stroh und gentechnikfreies Futter sind vorgeschrieben, wobei mindestens 20 Prozent des Futters aus dem eigenen Betrieb kommen muss. Organisches Beschäftigungsmaterial ist vorgeschrieben.
Das dunkelgrüne Label der Stufe 5 steht für Schweinefleisch aus Biobetrieben, die nach EU-Öko-Verordnung oder ökologischen Anbauverbänden mit höheren Qualitätsstandards als der der EU zertifiziert sind. Mindestens 30 Prozent der gentechnikfreien Futtermittel müssen aus dem eigenen Betrieb stammen und das gesamte Futter muss ökologisch erzeugt sein. Organisches Beschäftigungsmaterial und Wühlmaterial im Auslauf sind vorgeschrieben. Den Schweinen muss mindestens 1,3 Quadratmeter je Tier (bei unter 110 Kilogramm Gewicht) und 1,5 Quadratmeter je Tier (bei über 110 Kilogramm Gewicht) Stallfläche zur Verfügung stehen. Zusätzlich stehen noch 1 bzw. 1,2 Quadratmeter Fläche je Gewichtsklasse im Auslauf bereit.
Dem gegenüber steht die staatliche und damit verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung. Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz wurde am 16. Juni 2023 im Bundestag beschlossen; am 24. August 2023 trat das Gesetz in Kraft. Vorgesehen sind fünf Haltungsformen: Stall, Stall+Platz, Frischluftstall, Auslauf/Weide und Bio.
Die Haltung während der Mast entspricht mindestens den gesetzlichen Mindestanforderungen gemäß Schweinehaltungshygieneverordnung.
Den Schweinen steht mindestens 12,5 Prozent mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard zur Verfügung. Die Buchten müssen über Raufutter, das zusätzlich zum Beschäftigungsmaterial gegeben wird, verfügen und sind durch verschiedene Elemente strukturiert. Dies können z. B. Trennwände, untere Ebenen, verschiedene Temperatur- oder Lichtbereiche sein.
Das Außenklima in jeder Bucht hat einen wesentlichen Einfluss auf das Stallklima. Die Schweine haben jederzeit Zugang zu unterschiedlichen Klimabereichen.
Den Schweinen steht ganztägig ein Auslauf zur Verfügung bzw. sie werden ganztägig im Freien ohne festes Stallgebäude gehalten. Der Auslauf darf für die erforderliche Dauer der Reinigung oder kurzzeitig eingeschränkt werden, soweit dies im Einzelfall aus Tierschutzgründen zwingend erforderlich ist.
Die Tierhaltung entspricht den Anforderungen der EU-Öko-Verordnung. Das bedeutet, die Schweine haben eine noch größere Auslauffläche und noch mehr Platz im Stall.
Nachdem klar ist, welche Haltungsform bzw. welches Label angestrebt wird und idealerweise schon ein Abnehmer für das Fleisch gefunden wurde, müssen zunächst alle Fragen hinsichtlich der behördlichen Genehmigung geklärt werden.
Ist Anbau sinnvoller als Umbau, um mehr Stallfläche oder Auslauf zu gewinnen? Bei einem Anbau bleibt die Anzahl der Mastplätze gleich oder kann sogar erhöht werden, wenn der Anbau groß genug geplant wird. Bei einem Umbau sind eventuell nur noch weniger Mastplätze möglich. Eine Bestandsabstockung wirkt sich schnell auf das Betriebsergebnis aus, da weniger Schweine vermarktet werden können.
Auch die Kosten für zusätzliche Arbeitsstunden, zum Beispiel für das Entmisten bei Strohhaltung, höhere Futterkosten durch gentechnikfreies Futter und die Kosten für die Einstreu sind einzukalkulieren. Unter Umständen können weitere Kosten hinzukommen, wenn bestimmte Markenfleischprogramme höhere Anforderungen stellen als zum Beispiel Haltungsstufe 3 oder 4 nach Haltungsform.de. Das können höhere Schlachtgewichte sein, die mehr Futterkosten nach sich ziehen, oder dass auch die Ferkelaufzucht GVO-frei gefüttert wird.
Doch auch vom Staat kommt Unterstützung: Für den Umbau der Tierhaltung plant die Bundesregierung in den nächsten Jahren Mittel in Höhe von einer Milliarde Euro im Bundeshaushalt ein. Diese sollen ab 2024 an die Landwirtinnen und Landwirte fließen. Mit dem Geld sollen vor allem Investitionen in tiergerechte Ställe gefördert und ein erster Schritt zum Umbau der Tierhaltung getan werden.
Darüber hinaus sollen auch laufende Mehrkosten, die durch eine besonders tier- und umweltgerechte Haltung entstehen, gefördert werden. Neben der Erfüllung haltungsbezogener Kriterien werden hier insbesondere auch Tierwohlindikatoren wie beispielsweise ein intakter Ringelschwanz berücksichtigt. Deswegen sind die aktuellen und zukünftigen Förderprogramme der einzelnen Bundesländer zu prüfen, inwiefern die Umbaumaßnahme förderfähig ist.
Der Einsatz von Spaltenböden ist auch in den beiden höheren Haltungsstufen nicht völlig ausgeschlossen, einige Tierwohlprogramme lassen dies zu. Der Spaltenboden ist aus arbeitswirtschaftlicher Sicht sehr praktisch und aus hygienischen Gründen in Teilbereichen durchaus sinnvoll.
Insgesamt ist es wichtig, Tierwohl und Arbeitseffizienz sinnvoll miteinander zu verbinden. Aus den klassischen Kammställen können Ställe mit Außenklimareiz werden, wenn man an der Längsseite des Stalles die Fluchttüren und Fenster vergrößert und durch Windschutznetze oder Lochbleche ersetzt.
Weiter innen im Stall kann eine Leichtbauwand eingezogen werden, um den Warmbereich vom Kaltbereich zu trennen. Selbstschließende Türen ermöglichen den Schweinen den Wechsel zwischen den Klimazonen im Stall. Alternativ können zusätzliche Ausläufe angebaut werden, die jedoch genehmigungspflichtig sind. Hier sollte das Platzangebot nicht zu knapp geplant werden, da die Tiere den Auslauf gerne annehmen.
Falls eine Überdachung des Auslaufs möglich ist - einige Label lehnen dies ab - sollte darauf nicht verzichtet werden. Eine Überdachung hält den Regen ab und reduziert erheblich den Einstreubedarf. Bei der Planung des Auslaufs ist die Dachhöhe zu beachten, damit auch bei einem eingestreuten Auslauf eine maschinelle Entmistung möglich ist. Ideal sind schwenkbare Seitenbegrenzungen. Vorhandene Buchtenstrukturen können zugunsten einer Großbucht aufgelöst werden, was den Schweinen mehr Möglichkeiten zur Bewegung und zur Schaffung von Funktionsbereichen gibt.
Bei all den Möglichkeiten ist es aber wirklich wichtig, dass alle Änderungen, Um- und Anbauten auf ihre Genehmigungspflicht bzw. die Notwendigkeit eines Bauantrages geprüft werden.
Zum Thema „Umbaulösungen“ in der Schweinehaltung hat das "Netzwerk Fokus Tierwohl" in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft für Rationalisierung, Landtechnik und Bauwesen in der Landwirtschaft (ALB) und des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen (LLH) eine Veranstaltung für Landwirte durchgeführt. Die Erkenntnisse sind in diesen Beitrag eingeflossen.
Letzte Aktualisierung 18.01.2024