Der Erreger der zoonotischen Influenza schwächt das Immunsystem so stark, dass er in der Lage ist, die Wirkung von Impfungen gegen verschiedene virale und bakterielle Infektionen außer Kraft zu setzen.
In Schweinebeständen zirkulieren Influenza A-Viren mit zoonotischem Potential. Aufgrund der hohen Empfänglichkeit für porcine, humane und aviäre Influenzaviren können im Schwein so jederzeit neue Subtypen mit pandemischem Potential entstehen.
Im Jahr 2009 löste ein neues humanes Influenza A Virus (H1N1) eine Pandemie aus, die umgangssprachlich Schweinegrippe genannt wird.
Auch Schweinebestände wurden mit dem Virus infiziert. Der nachgewiesene Erreger von Influenza A(H1N1)pdm09 enthielt neben dem Erbgut von Influenzaviren, die in Schweinen auf dem amerikanischen Kontinent zirkulierten, zudem auch Gene, die bereits aus Schweinebeständen in Europa und Asien bekannt waren. Damit wurde erstmals ein Influenzaerreger isoliert, der weltweit in Schweinebeständen nachgewiesen wurde. Neben genetischen Abschnitten von porcinen (Schwein) und humanen (Mensch) Influenzaviren enthielt das pandemische A(H1N1)-Virus aus dem Jahr 2009 auch Erbinformationen von aviären (Vögel) Influenzaviren, den Erregern der Vogelgrippe. Darum wird diese Influenzainfektion seit ihrer Entdeckung auch als zoonotische und pandemische Influenza bezeichnet.
Während der weltweiten Pandemie infizierten sich Menschen untereinander und übertrugen die Influenza in Schweinebestände. Das Schwein wurde zu einem Mischtopf ("mixed vessel“) für die Viren, da es besonders empfänglich für Influenzaviren ist. Im Schweineorganismus mischen sich die genetischen Informationen und verteilen sich neu. Die so gebildeten Reassortanten, also Nachkommen von nach dem Genaustausch entstandenen Viren, können wiederum relativ leicht die Speziesschranke Tier-Mensch überwinden. Die reassortierten Subtypen gelten als viraler und leichter übertragbar als die klassischen Influenzastämme. Bereits kurze Zeit nach der Schweinegrippe-Pandemie wurde ein weiterer Influenza A-Erreger (H1N2)pdm mit zoonotischem Potential identifiziert.
Die Bezeichnung der Influenza Subtypen orientiert sich an den wichtigsten Proteinen, Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N). Influenza A steht für ein Virus der Gattung Alphainfluenzavirus. Subtypen sind Unterarten, die sich nur geringfügig genetisch voneinander unterscheiden.
Die "klassische“ Influenza (SIV) tritt saisonal auf und erfasst meist den ganzen Bestand. Die Tiere zeigen sich abgeschlagen und appetitlos mit brüllendem Husten. Hohes Fieber von 41 bis 42°C, das bei Sauen zu Aborten führen kann, begleitet die Infektion häufig. Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 4 Tage, die Erkrankung dauert selbst nur 3 bis 6 Tage. Ein Erregernachweis ist lediglich in den ersten 4 Tagen durch PCR-Diagnostik möglich. Danach gelingt über mehrere Wochen nur ein Nachweis von spezifischen Antikörpern. Bleiben Sekundärinfektionen aus, sind die Tierverluste, von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen, gering. Die am meisten verbreiteten Stämme der klassischen Influenza sind H1avN1av, H1huN2 und H3huN2.
Bei der zoonotischen Influenza überwiegen wellenartige, oft chronische Erkrankungen mit mildem Verlauf. Nur vereinzelt kommt es zu schweren Verläufen mit hohen Tierverlusten.
Die klinischen Symptome sind vielfältiger als bei der klassischen Influenza:
Neben Apathie und Fressunlust zeigen die Tiere Atemwegsprobleme. In Sauenherden kommt es hohen Umrauscherquoten, Aborten in allen Stadien der Trächtigkeit ohne ersichtliche Ursache und schwachen Würfen.
In der Aufzucht und Mast wirkt sich eine Infektion mit pandemischer Influenza durch höhere Verlusten und schlechte Mastleistung aus. Die Tiere haben nicht immer Fieber, aber meist Atemwegsinfektionen über alle Altersgruppen hinweg.
Die Diagnostik ist schwierig und Erregernachweise am ehesten in Nasentupfern von Saugferkeln in der 3. und 4. Lebenswoche möglich, wenn der Schutz durch die maternalen Antikörper nachlässt und außerdem bei Aufzuchtferkeln und Jungsauen.
Der Erreger der zoonotischen Influenza schwächt das Immunsystem so stark, dass er in der Lage ist, die Wirkung von Impfungen gegen verschiedene virale und bakterielle Infektionen außer Kraft zu setzen.
Im Falle der zoonotischen Influenza gilt der One Health-Gedanke. Auf Betriebsebene ist es dann wichtig, die Zirkulation des Erregers rasch und wirkungsvoll einzudämmen, um dem Erreger die Möglichkeit zur Neubildung zu nehmen.
Tierbetreuende mit Grippesymptomen sollten keinen Tierkontakt haben. Wo personelle Alternativen fehlen, sollten zum Schutz vor Übertragung von Influenzaviren auf die Tiere medizinische Masken oder FFP2-Masken getragen werden.
Der Erregerdruck kann auf Betriebsebene durch die Impfung der Tiere gesenkt und so die Bildung neuer Virussubtypen mit zoonotischem Potential vermieden werden. Befinden sich ungeimpfte Tiere im Bestand, können die Erreger der pandemischen wie der klassischen Influenza dauerhaft zirkulieren.
Prophylaktische Maßnahmen in der Hygiene und im Tiermanagement sind in allen Produktionsbereichen und Altersstufen unverzichtbar, um die Influenza wirkungsvoll einzudämmen.
Wer Umgang mit Schweinen hat, sollte in Regionen mit zunehmender Verbreitung der pandemischen Influenza oder in betroffenen Betrieben für den eigenen Gesundheitsschutz die Möglichkeit einer Influenzaimpfung in Betracht ziehen. Das Paul-Ehrlich-Institut berücksichtigt die pandemische Influenza bei der Auswahl der Stämme für humane Impfstoffe gegen die saisonale Grippe gemäß den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA).
Die Eindämmung der Influenzaviren in Schweinebeständen verringert die Gefahr der Verbreitung auf den Menschen und in andere Bestände. Gleichzeitig sorgt sie für mehr Tierwohl und geringere wirtschaftliche Verluste.
Letzte Aktualisierung 03.02.2022