Herdenschutz richtig planen und umsetzen Herdenschutz richtig planen und umsetzen

Herdenschutz richtig planen und umsetzen

Wölfe sind zurück in Deutschland, daher brauchen Weidetiere wie Schafe und Ziegen Schutz. Wirksame Herdenschutzmaßnahmen stellen Betriebe jedoch vor große Herausforderungen, da sie durch ihren Mehraufwand eine Zusatzbelastung darstellen und betriebsindividuell angepasst werden müssen.

Im Monitoringjahr 2021/2022 wurden in Deutschland insgesamt 226 Wolfsterritorien gezählt. In 161 von ihnen lebten Wolfsrudel, in 44 wurden Paare beobachtet. Dazu kamen 21 Territorien mit Einzeltieren. Und die Entwicklung der Wolfsterritorien zeigt an, dass der Wolfsbestand weiterwächst. Die Rückkehr dieser großen Beutegreifer in Deutschland wirkt sich vor allem auf die Haltung von Weidetieren aus, insbesondere auf die Haltung von Schafen und Ziegen.

Wenn es um das Spannungsfeld "Weidetiere und Wolf" geht, müssen viele verschiedene Konfliktparteien betrachtet werden. Zuerst ist hier der natürliche Konflikt zwischen dem Weidetier als klassischem Beutetier und dem Wolf als Raubtier zu nennen. Dieser Konflikt war in Deutschland lange nicht vorhanden, da der Wolf hierzulande ausgerottet war.

Nicht einfacher wird das Spannungsfeld durch die Konflikte zwischen Menschen. So engagieren sich in Deutschland verschiedene Interessensgruppen für oder gegen den Wolf und polarisieren die öffentliche Debatte. Die eine Seite sieht den Wolf als streng geschützte Tierart, die andere weist darauf hin, dass Wölfe in Nutztierherden großen Schaden anrichten können, und zwar nicht nur wirtschaftlich. Der Anblick ihrer gerissenen Weidetiere ist für betroffene Halterinnen und Halter nur schwer erträglich. Doch nicht alle Weidetierhalteinnen und -halter sind deshalb per se auch Wolfsgegner.

Bundeszentrum Weidetiere und Wolf – eine bundesweite Informationsstelle

Konflikte rund um Weidetiere und Wolf treten zu Tage, weil unterschiedliche Emotionen und Erfahrungen mit dem Thema verbunden sind. Weidetierhaltende und Naturschützende befinden sich gleichsam in diesem Spannungsfeld und erwarten Unterstützung, damit eine Weidetierhaltung mit Wolf gelingen kann. An dieser Stelle setzt die Arbeit des Bundeszentrums Weidetiere und Wolf (BZWW) als bundesweite Informationsstelle rund um den Herdenschutz landwirtschaftlicher Weidetiere an. Das Zentrum bündelt praxisrelevante Informationen und vernetzt die verschiedenen Akteure miteinander. Auf diese Weise trägt es dazu bei, Konflikte im Spannungsfeld "Weidetiere und Wolf" zu mindern.

Ein wichtiges Arbeitsfeld des BZWW sind die Maßnahmen des Herdenschutzes. Welche Herdenschutzmaßnahmen gibt es, wie werden sie eingesetzt und wo sind ihre Grenzen? Hier bietet das Bundeszentrum den Weidetierhaltenden und allen Interessierten Informationen an, auch über mögliche Fördermöglichkeiten in den Bundesländern.

Herden vor Wolfsübergriffen schützen

Fakt ist: Werden Weidetierherden nicht oder nur unzureichend geschützt, sind sie für Wölfe leichte Beute. Aufgrund ihrer geringeren Körpergröße werden Schafe und Ziegen häufiger als andere Weidetiere von Wölfen gerissen. Damit ist Herdenschutz besonders für Schaf- und Ziegenhaltende ein wichtiges Thema. Vor den Herausforderungen im Herdenschutz stehen allerdings alle Weidetierhaltende gleichermaßen. Die Gefahr von Rissereignissen kann durch wirksamen Herdenschutz als Präventionssystem minimiert werden.

Es gilt, auf den Betrieb passende und für den Tierhaltenden gut umsetzbare Herdenschutzmaßnahmen zu finden und sie in den Betriebsablauf zu integrieren. Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter stehen dabei immer wieder vor folgenden Fragen:

  • Wie schütze ich meine Weidetiere am besten?
  • Welche Herdenschutzmaßnahme passt zu mir, zu meinen Weidetieren und zu meinem Betrieb?
  • Wie kann ich die notwendige Zeit aufbringen, um Herdenschutz zu betreiben?
  • Kann ich mir Herdenschutz finanziell leisten?

Bewährte Herdenschutzmaßnahmen sind wolfsabweisende Zäune, Herdenschutzhunde oder auch die Behirtung. Besonders wirksam ist eine Kombination von verschiedenen Herdenschutzmaßnahmen. Welche Maßnahme oder Kombination gewählt wird, hängt unter anderem von den betrieblichen Gegebenheiten und vom Standort des Betriebes ab. Bei der Wahl der passenden Herdenschutzmaßnahmen spielt darüber hinaus eine Rolle, wie präsent Wölfe in der Nähe des Betriebsstandorts sind und ob es eher streifende Einzeltiere sind oder sesshafte Wolfsrudel.

Auch in Regionen mit wenig Wolfspräsenz müssen Halter von Weidetieren mit dem Thema Herdenschutz vertraut sein. Denn die Gefahr eines Wolfsübergriffs geht auch von durchziehenden Einzeltieren aus. Und hat ein Wolf einmal ein Erfolgserlebnis mit einem Übergriff auf Weidetiere gehabt, ist die Gefahr einer Wiederholungstat groß.

Wolfsabweisende Zäune betriebswirtschaftlich mit einplanen

Als erste Herdenschutzmaßnahme werden zunächst meist wolfsabweisende Zäune eingesetzt. Weidetiere wolfsabweisend einzuzäunen und die wolfsabweisende Wirkung aufrechtzuerhalten ist jedoch keine einfache Aufgabe. Eine wolfsabweisende Einzäunung hat höhere Anforderungen als eine allgemein übliche Einzäunung, um Weidetiere auf der Weide zu halten. In der Praxis bedeuten wolfsabweisende Zäune für Schafe und Ziegen, dass

  • Elektrozäune mit einer Spannung von mindestens 4.000 Volt und einer Höhe zwischen 90 und 110 Zentimetern verwendet werden, ganz gleich, ob es sich um mobile Elektrozäune oder um stationäre Elektrofestzäune handelt.
  • an herkömmlichen Festzäunen, wie beispielsweise aus Knotengeflecht, ein Untergrabe- und Überkletterschutz eingerichtet werden muss. Teilweise können solche Grabe- und Kletterschutze nachgerüstet werden. Das geschieht häufig über das Anbringen von Stromleitern. Kann ein bestehender Zaun nicht nachgerüstet werden, bleibt nur der Neubau oder die Verwendung eines mobilen Elektrozaunes.

Ökonomisch gesehen bedeutet die Anschaffung eines wolfsabweisenden Zaunes zunächst eine finanzielle Mehrbelastung für den Betrieb. Aber auch die Arbeitszeit beim Auf- und gegebenenfalls Abbau des Zaunes darf als Kostenfaktor nicht vernachlässigt werden. Bei mobilen Zäunen fallen diese Arbeiten regelmäßig an – zum Teil mehrmals in der Woche. Auch die Arbeitszeitkosten für Kontrolle und regelmäßige Pflegemaßnahmen, wie das Freischneiden von Bewuchs oder Reparaturarbeiten müssen eingeplant werden.

Auch Herdenschutzhunde kosten Geld

Auch bei anderen Herdenschutzmaßnahmen, wie dem Einsatz von Herdenschutzhunden oder der Behirtung, sind Kosten und Arbeitsaufwand nicht unerheblich und müssen vom Tierhaltenden erst einmal gestemmt werden. So liegen der Anschaffungspreis beziehungsweise die Kosten der Aufzucht für einen ausgebildeten und einsatzfähigen Herdenschutzhund bei durchschnittlich 3.000 Euro. Dazu kommen die Kosten für Hundefutter, Lohnkosten für Mehraufwand, Tierarzt, Versicherung oder Fahrzeug zum Transport der Hunde.

Wie hoch ist der Aufwand für Herdenschutzmaßnahmen?

Die Unterhaltung von Herdenschutzmaßnahmen ist nicht zu unterschätzen. Schließlich muss ein Herdeschutzhund regelmäßig gefüttert werden und ein wolfsabweisender Zaun muss regelmäßig von Bewuchs freigehalten werden, damit er funktionstüchtig und wirksam bleibt. Zieht man bei der Kalkulation von Herdenschutzmaßnahmen den erzeugten Ertrag pro Hektar als Vergleichsgröße heran, wird sichtbar, dass Herdenschutzmaßnahmen keinen Beitrag zum Ertrag pro Hektar leisten. Sprich: Herdenschutz kostet die Betriebe Geld, bringt aber keine monetär darzustellende Einnahme.

Wie hoch der finanzielle und arbeitszeitliche Mehraufwand ist, hängt von vielen Faktoren ab, beispielsweise:

  • Wie viel Zaunmaterial wird benötigt? Wie viele Herdenschutzhunde werden gebraucht? Werden die Weidetiere in Koppel- oder Hütehaltung geweidet?
  • Welche Maschinen werden zur Errichtung von Herdenschutzmaßnahmen gebraucht und müssen unterhalten werden?
  • Welche Gebäudekosten fallen an, zum Beispiel bei Einstallung über Nacht? Wie weit ist der Stall entfernt? Wie lange ist man mit den Tieren zum Stall unterwegs?

In einem Fachartikel (PDF) hat das Kuratorium für Technik und Bauen in der Landwirtschaft (KTBL) einmal die Kosten von Herdenschutzmaßnahmen exemplarisch für die Schafhaltung errechnet.

Immer einen Schritt voraus sein

Mit ihren Herdenschutzmaßnahmen sollten Weidetierhaltende möglichst einen Vorsprung vor dem Räuber entwickeln. Sind wirksame Maßnahmen bereits etabliert bevor der Wolf die Region durchstreift, hat er weniger Gelegenheit auf Beutezug in der Nutztierherde zu gehen. Sinnvoll ist es, sich Unterstützung bei einer Herdenschutzberatung zu suchen. Herdenschutzberatungen werden in allen Bundesländern angeboten, Fördermöglichkeiten bestehen und werden ständig weiterentwickelt. Das Bundeszentrum Weidetiere und Wolf (BZWW) bietet einen Überblick zu den zuständigen Behörden und Einrichtungen.

Letzte Aktualisierung 21.02.2023

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