PMSG in der Sauenhaltung - Interview mit Nadine Henke PMSG in der Sauenhaltung - Interview mit Nadine Henke

PMSG in der Sauenhaltung - Interview mit Nadine Henke

Im Interview äußert sich die Sauenhalterin und Tierärztin Nadine Henke über ihre Haltung zu PMSG/eCG sowie zu den Alternativen dieses umstrittenen Hormoneinsatzes. Sie verrät viele erfolgreiche Tipps, wie die Sauengruppen auch ohne zusätzliche Hormone in einem konstanten Rhythmus abferkeln.

Die Brunstsynchronisation mit dem Hormon PMSG/eCG spielt in der Sauenhaltung eine große Rolle. Aus Tierschutzgründen ist der Einsatz jedoch umstritten, denn PMSG/eCG wird aus dem Blut von trächtigen Stuten gewonnen. Der Verband der Schweizer Schweinezüchter Suisseporcs hat sich deshalb bereits Anfang 2022 zu einem Verbot des Hormonpräparats PMSG entschlossen.

Nutztierhaltung.de sprach mit Nadine Henke über Alternativen zu diesem umstrittenen Hormoneinsatz. Die Landwirtin und Tierärztin bewirtschaftet mit ihrem Mann Heinrich und ihrem Team einen Ferkelerzeugerbetrieb mit etwa 1.250 Sauen in Bruchhausen-Vilsen in Niedersachsen. Sie arbeiten mit einer dänischen Genetik und erzeugen 30 kg-Ferkel für den regionalen Markt, d. h. die Ferkel bleiben alle für die Mast in der näheren Umgebung. Eine kurze und direkte Anbindung ist ihnen wichtig. Bevor sich Nadine Henke 2014 in den Stall ihres Mannes einbrachte, arbeitete sie für 10 Jahre als Tierärztin in einer reinen Schweinepraxis in Vechta. Sie kennt also beide Seiten, die tierärztliche sowie die landwirtschaftliche Sicht.

Frau Henke, wie stehen Sie zum Einsatz von PMSG/eCG in der Schweinezucht?

Ich sehe den Einsatz von PMSG/eCG sehr kritisch. Schon zu der Zeit, in der ich noch Tiermedizin studiert habe, wurde über die sogenannten Blutfarmen in Südamerika berichtet. Ich fand es damals schon eine furchtbare Vorstellung, dass man tragenden Stuten regelmäßig nicht unerhebliche Mengen Blut abnimmt. Ich vermeide es, bei unseren tragenden Sauen überhaupt eine Blutprobe zu ziehen, da ich ihnen den Stress ersparen möchte. Ich denke, dass der Einsatz von PMSG/eCG sehr vom System bzw. Rhythmus des Betriebs abhängt. Ich persönlich halte den Einsatz für unnötig.

PMSG/eCG dient ja dazu, die Brunst zu synchronisieren, damit die Sauen in Gruppen gleichzeitig abferkeln. Worin liegt der Vorteil eines konstanten Abferkelrhythmus für die Landwirtschaft?

Die Mäster wünschen große einheitliche Ferkelpartien, welche man mit konstanten Abferkelrhythmen bei Sauengruppen erreicht. In unserem Betrieb arbeiten wir in einem Wochenrhythmus, das heißt, wir setzen jede Woche Sauen ab, bei uns werden jede Woche Sauen belegt und es ferkeln auch jede Woche Sauen. Das macht es uns enorm einfach, Jungsauen, aber auch Umrauscher oder nicht zyklische Sauen wieder einzugliedern. Man setzt einfach an einem Tag X die Sauen bzw. Ferkel ab – wenn die Sau etwas vor der Gruppe geferkelt hat, hat sie halt etwas länger als vier Wochen gesäugt. Hat sie nach der Gruppe geferkelt, sind die Ferkel mit etwas über drei Wochen in der Regel alt genug, um abgesetzt werden zu können, so dass die Sau über das Absetzen wieder in die Gruppe kommt. Wir haben mit unserer Bestandsgröße die Möglichkeit, trotz des wöchentlichen Rhythmus relativ große Ferkelpartien abzusetzen.

Kleinere Betriebe müssen dafür zu einem Mehrwochenrhythmus greifen. Hier haben die verschiedenen Rhythmen alle ihre Vor- und Nachteile. Bezüglich der Rausche ist ein 3-Wochenrhythmus vorteilhaft, da er im Rhythmus mit den Sauen arbeitet, die alle 21 Tage in die Rausche kommen. Zudem ist es mit einer vorgegebenen Säugezeit von 4 Wochen leicht, Sauen, die außer der Reihe rauschen, über das Absetzen wieder einzugliedern. Das ist bei einem 2- oder 4-Wochenrhythmus wesentlich schwieriger.

Was schätzen Sie, wie weit verbreitet ist der Einsatz von PMSG/eCG in der deutschen Schweinezucht?

Da bin ich ehrlich gesagt überfragt. Stand 2017 wurden im Zeitraum 2013 bis 2016 rund 3,8 Millionen Einzeldosen zur Behandlung von Schweinen eingesetzt. In den Jahren haben wir noch etwa 2 Millionen Sauen in Deutschland gehalten, die etwa 2,4 Würfe pro Jahr machen. Nach meiner Rechnung hätten demnach nicht einmal 20 Prozent der Sauen PMSG/eCG erhalten.

Verzichten Sie in Ihrem Betrieb auf den Einsatz von PMSG/eCG und wenn ja, seit wann?

Wir haben noch nie regelmäßig PMSG/eCG in unserem Betrieb eingesetzt. Bis vor 7 Jahren haben wir es bei einzelnen Sauen eingesetzt, die nach dem Absetzen nicht gerauscht haben. Es war bei uns damals in der tierärztlichen Praxis eine übliche Methode, vergleichbar mit OvSynch bei den Kühen, also dem Schema der Ovulationssynchronisation mit terminierter Besamung. Jedoch fand ich die Erfolgsquoten nicht überzeugend. Wenn die Sauen rauschen, hätten sie es vermutlich auch ohne PMSG/eCG getan; und die, die nicht rauschen, rauschen halt nicht. Von denen trennen wir uns nun.

Welche Alternativen nutzen Sie in Ihrem Betrieb?

Feste Arbeitsrhythmen sind wichtig. Wir setzen immer zum gleichen Zeitpunkt ab – mittwochs morgens 5 Uhr werden die Sauen abgesetzt. Am Dienstag erhalten unsere Sauen, die normalerweise zweimal täglich gefüttert werden, nur eine Mahlzeit. Des Weiteren kann man mit der Fütterung und Licht die Fruchtbarkeit positiv beeinflussen. Wir arbeiten im Deckzentrum mit einem Lichtprogramm. Im Deckzentrum ist über den Köpfen der Sauen eine Lichtleiste angebracht inklusive Zeitschaltuhr. Außerdem setzen wir eine Flushing-Fütterung ein. Ziel der Flushing-Fütterung ist es, durch eine gesteigerte Energieversorgung die Ovulationsrate der Sau zu erhöhen. Wir arbeiten mit einem Deckzentrumfutter und Dextrose. Letztlich geht es um eine optimale Energieversorgung nach dem Absetzen. Die Aufnahme von Stärke und Zucker führt zu einem Anstieg des Insulinspiegels im Blut. Insulin wiederum steigert die Produktion von LH und FSH, so dass sich die Ovulationsrate erhöht und die Rausche verbessert.

Wichtig ist auch, dass zum Belegen Ruhe im Stall ist – wir belegen immer zur selben Uhrzeit etwa 3,5 Stunden nach dem Füttern. Ein gut organisierter Belegungswagen, in dem alle Utensilien vorhanden sind, ist sehr hilfreich. Unser Eberlaufgang ist mit Türen ausgestattet, so dass der Eber nur eine gewisse Anzahl Sauen stimulieren kann. So kann die Person, welche die Sauen belegt, dies in Ruhe und ohne Hektik erledigen. Bei den Zuchtläufern machen wir uns die Transportrausche bzw. das Auslösen dieser durch gezieltes Umstallen zu Nutze. Essentiell sind jedoch auch eine gute Tierbeobachtung und ein guter Umgang mit den Tieren.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit den synthetischen Alternativen?

Wir haben damals in der Praxis im Wirksamkeitsvergleich keine Unterschiede zwischen PMSG/eCG und Perforelin feststellen können. Mir fehlt ehrlich gesagt der Blick aus dem Praxisalltag, um einschätzen zu können, ob und wie sich die Alternativen durchsetzen konnten bzw. können. Während meiner Praxiszeit haben die Betriebe entweder ganz auf den Einsatz verzichtet und eine Synchronisation über zootechnische Maßnahmen erwirkt oder PMSG/eCG eingesetzt. Die synthetisch hergestellten Alternativen spielten zumindest in unserer Praxis keine wirkliche Rolle. Ich denke, dass hier sicher wir Tierärzte gefragt sind, die synthetischen Alternativen auch wirklich anzubieten und auch die Tierhalter zu überzeugen. Denn "wat de buur nicht kennt, dat frätt he nich!". Das ist ein Plattdeutsches Sprichwort: Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht.

Sollte man Jung- und Altsauen hinsichtlich der Brunstsynchronisation unterschiedlich behandeln?

Ja. Wir sortieren unsere Sauen, indem wir sie markieren. Vor dem Absetzen werden die möglichen Problemsauen markiert: 1. steht für dünne Sauen, 2. steht für Ammensauen und 3. steht für primipare Sauen, also Sauen, die bisher nur einmal abgeferkelt haben. Diese markierten Sauen werden im Deckzentrum weiter vorne platziert. Das hat einen bestimmten Grund: Die Konzentration des Menschen nimmt beim Belegen der Sauen mit jeder Sau ab. Das Besamen einer größeren Gruppe Sauen ist durchaus ein bisschen so wie Fließbandarbeit – wir belegen pro Gruppe etwa 60 Sauen. Nach 20 bis 30 belegten Sauen nimmt die Konzentration desjenigen, der die Arbeit ausführt, nach und nach etwas ab. Das ist ganz normal und gilt übrigens ebenso für den Stimulationseber.

Die Altsauen rauschen normalerweise relativ problemlos, so dass diese weiter hinten in der Reihe stehen. Am Anfang stehen unsere 1er, 2er, 3er Sauen, so dass sich um diese ganz besonders gekümmert werden kann.

Gibt es weitere Maßnahmen, die einen konstanten Abferkelrhythmus ermöglichen?

Wichtig ist die nötige Konsequenz – die Sauen geben den Takt vor. Auch wenn es manchmal sehr verlockend ist, Absetztag ist und bleibt Absetztag und wird nicht geschoben, auch wenn dieser Tag auf einen Feiertag fällt. Ebenso ist es mit dem Belegen: Wenn das Belegen der Sauen ansteht, muss alles andere hintenanstehen. Das ist ein fixer Termin in unserem Betrieb.

Haben Sie Tipps für Ihre Berufskolleginnen und Kollegen, wenn diese auf PMSG/eCG verzichten wollen?

Ich denke, dass jede Altsau ohne Probleme nach 3 bis 5 Absatz-Belegtagen rauschen wird, das sind die Tage zwischen dem Absetztag und dem Tag der 1. Belegung, so dass hier ein Einsatz absolut nicht gerechtfertigt ist. Betriebe sollten ihre "Problemsauen" kennen und identifizieren und dann gegebenenfalls nur diese statt mit PMSG mit einem der Alternativpräparate behandeln. Dasselbe gilt für die Eingliederung von neuen Zuchtläufern. Hier kann über die Impfungen während der Eingliederung ein gezieltes Umstallen, gegebenenfalls ein zusätzliches Duschen der Tiere, eine gute Dokumentation der (Transport-)Rausche und regelmäßigen Eberkontakt sehr viel bewirkt werden. Wichtig ist, dass man selber auch einen guten Kontakt zu den Tieren pflegt, so dass diese sich wohl fühlen und keine Angst haben. Das hat keinen direkten Einfluss auf das Auslösen der Rausche, jedoch schon auf den "Besamungserfolg". Wenn die Sauen Angst haben, hat die Sau zum Beispiel eine stille Rausche oder zeigt die Rausche nicht gut oder nimmt das Sperma nicht gut auf und rauscht um.

Wenn Sie in andere Länder der Schweineproduktion schauen, z. B. Dänemark, Niederlande, Spanien, USA, Russland und China, wissen Sie, wie dort mit PMSG/eCG umgegangen wird? Gibt es dort ähnliche Diskussionen wie hier bei uns?

Hier muss ich leider passen, was Länder außerhalb Europas angeht. In der Schweiz geht der Verband der Schweizer Schweinezüchter bereits mit seinem freiwilligen Verzicht auf PMSG voran. In Dänemark und Holland wird ein PMSG-Ende diskutiert. Es ist also nicht so, dass es ausschließlich in Deutschland eingesetzt und heiß diskutiert wird.

Denken Sie, dass man in der Ferkelproduktion ganz auf hormonelle Stimulation verzichten könnte?

Ja, daran glaube ich ganz fest. Wir leben das ja auf unserem Betrieb schon seit Jahren. Ich würde mir wünschen, dass die Branche einen freiwilligen Verzicht erklärt, da es durchaus gute Alternativen gibt. Und auch wir Tierärzte sollten uns mit dem Einsatz von PMSG/eCG kritisch auseinandersetzen und hinterfragen, ob es überhaupt eine therapeutische Notwendigkeit gibt.

Frau Henke, vielen Dank für das Gespräch!


Letzte Aktualisierung 05.10.2022

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