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Sowohl Wissenschaftler als auch Zuchtunternehmen suchen aktuell nach Lösungen, mit denen sich das Merkmal Ebergeruch züchterisch bearbeiten und minimieren lässt.
Bereits seit einigen Jahren wird nach züchterischen Lösungen gesucht, mit denen sich die Geruchsabweichungen im Eberfleisch minimieren lassen. Verschiedene wissenschaftliche Arbeiten und Projekte beschäftigen sich mit dieser Thematik.
Den Start bildete 2011 das Projekt Strat-E-Ger (Strategien zur Vermeidung von Geruchsabweichungen bei der Mast unkastrierter männlicher Schweine). Hierbei wurde eine Bestandserhebung zur Problematik des Ebergeruchs bei der Rasse Piétrain durchgeführt.
Piétraineber aus möglichst vielen Genealogien (Familien) wurden an Testherden angepaart, um anschließend nahezu 1.000 Masteber in deutschen Prüfstationen unter standardisierten Bedingungen zu mästen und zu schlachten. Von diesen Ebern wurden im Anschluss Speckproben genommen und auf die für den Ebergeruch maßgeblichen Leitsubstanzen Skatol, Indol und Androstenon getestet.
Aus diesen Ergebnissen entwickelten Wissenschaftler der Universität Bonn eine BLUP-Zuchtwertschätzung (von engl. Best Linear UnbiasedPrediction, deutsch: Beste, lineare, unverzerrte Schätzung, ein statistisches Verfahren zur Zuchtwertschätzung). Diese wurde von diesem Zeitpunkt an für Selektionsmaßnahmen und Anpaarungsvorgaben genutzt - unter anderem im German Piétrain-Zuchtprogramm.
Ist ein Geschlechtspheromon. Andostenon ist ein Abbauprodukt des Sexualhormons Testosteron.
Abbauprodukte der Aminosäure Trypthophan, die im Darm entstehen. Sie sind für den fäkalartigen Geruch von Eberfleisch verantwortlich.
Im Jahr 2015 startete das Folgeprojekt EN-Z-EMA (Elektronische Nase-Zucht-Ebermast), bei dem nochmals über 3000 unkastrierte Eber aus Mastanpaarungen unter Stations- und unter Praxisbedingungen gemästet wurden. Im Rahmen des Projektes wurde nach relevanten genetischen Markern wie SNPs (von engl. Single Nucleotide Polymorphism, deutsch Einzelnukleotid-Polymorphismus, SNPs sind vererbbare genetische Varianten) gesucht und darauf aufbauend eine genomische Zuchtwertschätzung gegen Ebergeruch entwickelt. Im German Piétrain-Zuchtprogramm wird diese Zuchtwertschätzung bereits seit Januar 2018 als Routineverfahren genutzt.
Die Androstenon-, Skatol- und Indolkonzentration im Fleisch der Tiere haben eine hohe bis mittlere Heritabilität (Vererbbarkeit; die Heritabilität kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen). Während die Heritabilität von Androstenon bei 0,6 liegt, weisen Skatol mit 0,43 und Indol mit 0,32 mittlere Heritabilitäten auf. Skatol und Indol können stärker durch Umweltfaktoren (Fütterung, Haltung, Hygienemanagement) beeinflusst werden.
Aufgrund der Heritabilität der Ebergeruchskomponenten ist eine Zucht gegen Ebergeruch gut möglich. Allerdings dürfen die wechselseitigen genetischen Beziehungen (Korrelationen) zwischen dem Merkmal Ebergeruch und den väterlichen und mütterlichen Fruchtbarkeitsmerkmalen sowie den Fleischleistungsmerkmalen nicht außer Acht gelassen werden. Zum Teil existieren antagonistische Beziehungen, die einen Zuchtfortschritt erschweren. Dies trifft beispielsweise auf den Androstenongehalt und das Erstferkelalter zu. So besteht die Möglichkeit, dass sich das Erstferkelalter bei Linien mit geringem Androstenongehalt erhöht. Grundsätzlich kann der Anteil geruchsauffälliger Eber in relativ kurzer Zeit stark reduziert werden, auch unter der Voraussetzung, dass 70 Prozent des Zuchterfolges in den übrigen Zuchtzielmerkmalen erhalten bleiben.
Alle züchterischen Maßnahmen gegen den Ebergeruch zielen auf die Zucht von Schweinen ab, die wenig Androstenon und Skatol bilden und nur wenig von diesen Stoffen im Fett einlagern beziehungsweise die Geruchsstoffe über die Leber verstärkt abbauen. Zu den züchterischen Maßnahmen zählen die gezielte Anpaarung mit ausgesuchten Eberlinien sowie die genomische Selektion.
In der klassischen Zucht wählt man die Eltern der nächsten Generation aufgrund ihrer Eigenleistungen aus. Bei Merkmalen mit einer hohen Erblichkeit funktioniert das prinzipiell sehr gut, so auch beim Ebergeruch. Es ist bekannt, dass vor allem die Androstenongehalte rassen- und linienspezifisch variieren und dass sie sich über eine gezielte Anpaarung von Sauen mit Ebern ausgesuchter Linien wirkungsvoll beeinflussen lassen. So bilden beispielsweise die Eber der Rasse Duroc tendenziell mehr Androstenon als Piétrain-Eber. Dies könnte damit zusammenhängen, dass magere Rassen wie das Piétrain-Schwein über einen höheren Fettumsatz verfügen und damit über ein höheres Potenzial zum Abbau unerwünschter Stoffe. Auch die Früh- oder Spätreife einer Rasse hat Einfluss auf den Fettumsatz im Stoffwechsel. Frühreife Rassen haben mehr Zeit, Geruchsstoffe im Körperfett einzulagern (siehe Tabelle 1).
Merkmal | Einheit | Duroc x Kreuzungssau | Piétrain-Kreuzungssau |
---|---|---|---|
Fleischanteil Bauch | % | 59,2 | 62,2 |
Ausschlachtung | % | 76,3 | 78,1 |
Rückenspeckdicke | cm | 1,8 | 1,7 |
Tageszunahme | g | 1008 | 829 |
Futterverwertung | kg | 2,11 | 2,25 |
Intramuskulärer Fettgehalt | % | 1,64 | 0,9 |
pH1 Kotelett | 6,34 | 6,18 | |
Androstenon | ng/g Fett | 1003 | 337 |
Skatol | ng/g Fett | 213 | 244 |
Indol | ng/g Fett | 62 | 60 |
pH1: pH-Wert, gemessen 40 bis 45 Minuten nach der Schlachtung. Quelle: Frieden L. (2013): Züchterische Möglichkeiten zur Reduktion von geschlechtsbedingten Geruchsabweichungen am Schlachtkörper von männlichen, unkastrierten Mastschweinen. Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. |
Aktuelle Forschungsarbeiten konzentrieren sich vor allem auf die genomische Selektion. Hierbei wird der Zuchtwert eines Tieres aus seinen Erbanlagen – den Genen – abgeleitet. Um den Ebergeruch mit Hilfe der genomischen Selektion beeinflussen zu können, müssen im Erbmaterial der Tiere zunächst diejenigen Bereiche identifiziert werden, die für die Geruchsabweichungen (Skatol- und Androstenonkonzentration) verantwortlich sind: die sogenannten genetischen Marker. In einer aufwendigen statistischen Analyse wird für jeden dieser Marker sein Anteil am Zuchtwert geschätzt. Aus der Summe aller Marker-Effekte wird dann der genomische Zuchtwert eines Tieres berechnet. Die Sicherheit dieses Wertes ist von der Anzahl Halb- und Vollgeschwister sowie gegebenenfalls von den Nachkommen der Besamungseber abhängig. Zuchtunternehmen geben die Genauigkeiten aller in der genomischen Zuchtwertschätzung verrechneten Tiere mit 70 Prozent an.
Die Marker können bereits beim Jungtier oder mittlerweile sogar bei einem Embryo bestimmt werden. So ist es möglich, sofort nach der Geburt einen genomischen Zuchtwert zu schätzen. Spitzenvererber können frühzeitig erkannt und Negativvererber frühzeitig herausgefiltert werden, noch bevor sie in den Einsatz gehen. Um die Vorteile der genomischen Selektion für die Schweinezucht nutzen zu können, muss ein kontinuierliches System aus Genotypisierung, Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung etabliert werden. Denn genomische Informationen zahlen sich nur dann aus, wenn sie in Kombination mit einer ausreichenden Anzahl genauer Leistungsdaten aus der realen Produktionsumwelt genutzt und immer wieder aktualisiert werden.
In die Zucht gegen Ebergeruch wurde in den vergangenen Jahren viel Hoffnung gesetzt. Alle wichtigen internationalen Zuchtunternehmen integrierten die Reduzierung der Geruchsproblematik in ihre Programme. Sie boten zertifizierte Ebertypen an, die sich bei gleichbleibenden sonstigen wirtschaftlich relevanten Parametern in der Vererbung von Ebergeruch an ihre Söhne entscheidend vom Durchschnitt der Population abhoben. Beispiele hierfür sind das Nador-Programm von Topigs Norsvin oder das Label db.7711 des Bundes Hybrid Zucht Programmes (BHZP GmbH). Die German Genetic-Gruppe bietet seit dem Jahr 2014 die Eber-Variante Inodorus an, aktuell unter dem Markenlabel Inodorus 2.0.
Nachkommen von zertifizierten Ebertypen wurden an den Schlachthöfen zunächst gern angenommen und gut bezahlt. Mit der Zeit sanken die Nachfrage und das Interesse an geruchsarmen Endstufenebern jedoch, weil ihre Vermarktung zu wenig Wertschöpfung versprach. Geruchsarme Tiere wurden am Schlachtband nicht honoriert und „Stinker“ wurden nicht bestraft. Dazu kommt, dass eine vollständige Reduktion des Ebergeruchs nicht möglich ist. Außerdem nehmen die Schlachthöfe Masteber nur in begrenztem Ausmaß an, weil sie aufgrund der Eberfleisch- und -fettqualität vor besonderen Herausforderungen bei der Verarbeitung und Vermarktung stehen. Inodorus 2.0-Eber werden aktuell im Gutfleisch-Programm der EDEKA-Südwest eingesetzt. Die Quote von Mastebern, die ohne jegliche Einschränkung für Frischfleisch genutzt werden können, liegt nach Angaben des Zuchtunternehmens bei aktuell 98,6 Prozent, die Quote geruchsauffälliger Tiere stabil unter 2 Prozent und die Quote von Mastebern, die verworfen werden müssen bei null Prozent.
Trotz der zum Teil geringeren Nachfrage züchten Zuchtunternehmen weiter gegen den Ebergeruch und prüfen potenzielle Zuchttiere. Dazu wird im Nackenbereich der Tiere eine Fettprobe entnommen. Diese wird kurz erhitzt und der Ebergeruch sensorisch von geschultem Personal anhand des „Human Nose Score“ (HNS) bewertet. Die exakten Gehalte an Skatol und Androstenon werden über die chemische Analyse der Fettprobe ermittelt. Über die so gewonnenen Daten können Tiere mit ausgeprägtem Ebergeruch aus der Zucht ausgeschlossen werden.
Für den Human Nose Score untersucht geschultes Personal Fettproben von unkastrierten männlichen Schweinen auf Ebergeruch. Dazu wird das Fett mittels Lötkolben für kurze Zeit erhitzt und anschließend auf einer Skala von 0 = geruchsunauffällig bis 4 = stark geruchsauffällig bewertet.
Darüber hinaus suchen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik derzeit im Rahmen verschiedener Projekte gemeinsam nach züchterischen Wegen zur Verminderung des Ebergeruchs:
Letzte Aktualisierung 08.02.2021