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Ein Charakteristikum der Schafhaltung ist, dass sie multifunktional ist. Schafe sind Landschaftspfleger und im Naturschutz unverzichtbar. Gleichzeitig ist die Schafhaltung ein Wirtschaftszweig, in dem Wolle, Fleisch und auch Milch anfallen.
Schafhaltung hat in Deutschland Tradition. Seit jeher ziehen Schäfer mit ihren Herden durch die Landschaft und haben Spuren hinterlassen. Keine andere Nutztierhaltung ist so eng mit der Kulturlandschaft verflochten. Durch die jahrhundertelange Beweidung mit Schafen sind Wacholderheiden und Mager- und Trockenrasen entstanden, die als Hotspots der Artenvielfalt gelten. Die Schafbeweidung wird heute in einem Atemzug mit der Pflege von Kulturlandschaften genannt.
Im Jahr 2020 hat die UNESCO die süddeutsche Wander- und Hüteschäferei in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Die Schäferläufe in drei baden-württembergischen Städten zeigen, dass sich über die Jahrhunderte hinweg auch traditionelles Brauchtum entwickelt hat und bis heute gepflegt und bewahrt wird.
Die Landschaftspflege ist ein wichtiges Standbein für viele schafhaltende Betriebe. Durch die Beweidung mit Schafen können wertvolle Naturschutzflächen und Biotope mit seltenen Tier- und Pflanzenarten gepflegt und erhalten werden. Schafe leisten zudem einen weiteren Beitrag für die Biodiversität, indem sie im Fell und Kot Samen und Insekten von einem Ort zum anderen transportieren.
In alpinen Landschaften verdichten Schafe mit ihren Klauen außerdem den Boden und sorgen dafür, dass er weniger erosionsanfällig ist. Das gleiche Prinzip greift bei der Deichpflege: Schafe halten hier nicht nur das Gras niedrig, sondern sorgen mit ihrem Tritt auch für die Stabilität und Sicherheit der Deiche.
Wie überall in der Landwirtschaft ist auch in der Schafhaltung über die Jahrzehnte ein Strukturwandel zu beobachten. Traditionelle Wanderschäfereien haben stark abgenommen. Die meisten Schafe verbringen Frühjahr, Sommer und Herbst auf der Weide - entweder in Hütehaltung oder gekoppelt - und werden dann für den Winter aufgestallt. Die Stallperiode reicht zwischen einem Monat in milderen Gegenden bis zu vier Monaten in kälteren Regionen. In dieser Zeit kommen auch die Lämmer zur Welt.
Heute gibt es weniger Haupterwerbsschäfereien, dafür mehr Betriebe im Nebenerwerb. Auch die Hobbyhaltung hat enorm zugelegt. Viele Menschen sind nach wie vor von Schafen fasziniert. Sie betreiben Schafhaltung aus Leidenschaft und Liebhaberei. Unter den Züchterinnen und Züchtern sind oft überzeugte Idealisten zu finden. Bundesweit gibt es über 40 Schafrassen. Einige Rassen sind in der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e. V. als extrem oder stark gefährdet eingestuft, wie etwa Brillenschaf, Waldschaf oder Leineschaf.
Weltweit gibt es zwischen 500 und 600 Schafrassen.
Die Anzahl der gehaltenen Schafe in Deutschland geht seit Jahren zurück. Waren es im Jahr 2010 über zwei Millionen Schafe, sind es im November 2020 nur noch rund 1,48 Millionen. Werden die Novemberzahlen der Jahre 2019 und 2020 verglichen, ergibt sich ein Minus von fünf Prozent oder 77.000 Tieren.
Die drei schafreichsten Bundesländer sind
Auch die schafhaltenden Betriebe (ab mindestens 20 Schafen) nehmen bundesweit kontinuierlich ab: Waren es im Jahr 2000 noch 31.600 Betriebe, so waren es zehn Jahre später 22.300, im Jahr 2020 gar nur noch 9.100.
Nach einer Statistik vom 1. März 2020, die Betriebe nach Bestandsgrößen beleuchtet und unter 19 Schafen erfasst, zeigt sich ein differenzierteres Bild: Demnach gibt es in Deutschland insgesamt 19.870 schafhaltende Betriebe. Allein in die Kategorie 1-19 Schafe fallen 9.503 Betriebe, was zumindest eine gewisse Orientierung in Richtung Hobbyhaltung erlaubt. Die zwei Bundesländer mit den meisten Betrieben in dieser Bestandsgröße sind Bayern (2794) und Baden-Württemberg (1310).
Weiter halten in Deutschland 4.882 Betriebe 20-49 Schafe. Dies bedeutet, dass 72,5 Prozent aller Betriebe 1-49 Schafe halten. In der Kategorie 500 bis über 1.000 Schafe sind nur noch 4,6 Prozent gelistet. Hier weist Niedersachsen (86) die meisten Betriebe auf, dann folgen Nordrhein-Westfalen (71) sowie Hessen (61).
72,5 Prozent aller schafhaltenden Betriebe in Deutschland halten maximal 49 Schafe.
Im Vergleich zu anderen Produktionszweigen der Landwirtschaft spielt die Schafhaltung nur eine untergeordnete Rolle. Nach einer Studie ist die wirtschaftliche Lage der deutschen Schäfereien und schafhaltenden Betriebe unbefriedigend. Das statistische Bundesamt berechnet Erzeugerpreisindizes und weist für Schafe und Ziegen im Jahr 2020 gestiegene Preise aus. Auch im ersten Halbjahr 2021 setzte sich dieser Trend fort. Für Mai 2021 wurde gegenüber dem Vorjahresmonat ein Plus von 28,4 Prozent, für Juni 2021 ein Anstieg um 28,8 Prozent beobachtet.
Der Wollverkauf spielt seit Jahrzehnten keine große Rolle mehr. Seit den 1990er Jahren erfolgte ein regelrechter Preisverfall. Heute geben Betriebe ihre Wolle meist an Wollhändler ab. Davon gibt es nur noch wenige. Sie sind darauf spezialisiert, die Wolle ins Ausland zu verkaufen, vor allem nach China. Ein Wollhändler klappert auf großen Touren viele schafhaltende Betriebe ab und sammelt deren Wolle ein. Je nach Qualität ergibt sich ein Preis pro Kilogramm. Die Wollpreise decken jedoch oftmals nicht mehr die Schurkosten ab.
Derzeit gibt es im Grunde zwei unterschiedliche Wege, dieser negativen Entwicklung entgegen zu wirken: Zum einen werden neuerdings Schafe ohne Wolle gezüchtet, die sogenannten Nolana-Schafe. In der Branche ist das nicht unumstritten, denn für viele Schafhalterinnen und –halter sind Schafe ohne Wolle schlichtweg undenkbar. Zum anderen wird versucht, in vielen innovativen Ansätzen die heimische Wolle in der Region zu halten und ihr wieder einen Wert zu verschaffen. Zum Beispiel wird Rohwolle zu Pellets gepresst und im Gartenbau erfolgreich als Düngemittel eingesetzt.
Aus ökonomischer Sicht ist die Fleischvermarktung, speziell die Vermarktung von Lämmern, am wichtigsten. Hier entscheidet sich, ob ein Betrieb rentabel wirtschaftet oder nicht. Es gibt Schäfereien, die einen eigenen Schlachtraum besitzen und ihr Schaf- und Lammfleisch direkt vermarkten. Andere nehmen an speziellen Markenprogrammen für Lammfleisch teil, die mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) kooperieren. Sowohl in der Direktvermarktung als auch über den LEH ist die Vermarktung von Lammfleisch ein eher saisonales Geschäft mit ausgeprägten Spitzen vor Ostern und Weihnachten.
Bei der Vermarktung ab Hof gibt es noch eine Besonderheit: Das islamische Opferfest "Kurban Bayrami" ist für Schafhalterinnen und –halter oftmals der wichtigste Vermarktungstermin des Jahres.
Die Produktion von Schaffleisch spielt in Deutschland im Vergleich zu den anderen Fleischarten eine geringe Bedeutung. Die Schlachtmenge betrug 2020 nach vorläufigen Zahlen rund 33.000 Tonnen, was nur etwa 0,3 Prozent der gesamten Schlachtmenge entspricht. Der Konsum von Schaf- und Ziegenfleisch ist seit Jahren konstant: Im Jahr 2020 lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei einem Kilogramm. Gemessen am Gesamtfleischverbrauch Deutschlands entfiel 2020 nur gut ein Prozent auf Schaf- und Ziegenfleisch.
Der Import von Schaf- und Ziegenfleisch lag 2020 bei 53.200 Tonnen, die Ausfuhr nur bei 5.800. Die heimische Produktion reicht also bei weitem nicht aus, um den hiesigen Bedarf zu decken, was sich auch in einem Selbstversorgungsgrad von 39,7 Prozent widerspiegelt. Nach vorläufigen Zahlen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbh wurden aus Neuseeland 2020 rund 18.800 Tonnen eingeführt, was 40 Prozent aller deutschen Importe von Schaffleisch entspricht. Auf dem zweiten Platz liegt das Vereinigte Königreich mit etwa 14.660 Tonnen. Größter Lieferant innerhalb der europäischen Union ist Irland mit 5.920 Tonnen.
Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) spart Schafe aus. Es gibt keine speziellen Abschnitte und daraus abgeleitete Verordnungen wie zum Beispiel für Kälber, Legehennen oder Schweine. Trotzdem gelten die allgemeinen Bestimmungen der TierSchNutztV sowie des Tierschutzgesetzes (TierSchG) auch für die Schafhaltung. Weiter geben die Europaratsempfehlungen für die Haltung von Schafen aus dem Jahr 1992 Orientierung. Manche Bundesländer oder Behörden auf regionaler Ebene haben aus diesen Quellen eigene Empfehlungen, Leitlinien oder Merkblätter erarbeitet.
Rund 14 Prozent der Schafe wurden in Deutschland 2020 in ökologisch wirtschaftenden Betrieben gehalten. Im Vergleich zu den anderen Nutztieren ist das ein hoher Wert. Nur der Anteil der ökologischen Ziegenhaltung toppt das noch mit 34 Prozent. Viele Betriebe, die auf Schaf- und Ziegenmilch spezialisiert sind, stammen aus dem ökologischen Landbau. Zum 1. März 2020 gab es bundesweit 2.744 schafhaltende Betriebe in ökologischer Wirtschaftsweise, die zusammen rund 243.800 Schafe hielten. Bayern weist die meisten Betriebe auf (901), gefolgt von Baden-Württemberg (391).
Etwa die Hälfte der Milchschafe wird unter den Bedingungen des ökologischen Landbaus gemolken. Die Milchschafhaltung ist dort eine kleine aber hochspezialisierte Nische. Entweder wird die Milch selbst zu Käse oder Joghurt verarbeitet und ab Hof vermarktet oder an Molkereien abgeliefert. In den vergangenen Jahren eroberten immer mehr Produkte aus Schaf- und Ziegenmilch die Regale des LEH.
Laut Statistik gab es im November 2020 rund 13.400 Milchschafe in Deutschland. Hochburgen der Produktion von Schaf- und Ziegenmilch liegen in Süddeutschland. Ist von Milchschafen allgemein die Rede, sind damit in der Regel die beiden Rassen ostfriesisches Milchschaf und Lacaune gemeint.
Die größte Herausforderung für Schäfereien und schafhaltende Betriebe ist der Herdenschutz. Bei den von Wölfen in Deutschland 2020 getöteten oder verletzten Nutztieren handelte es sich zu 89 Prozent um Schafe und Ziegen. Fachleute sind sich einig, dass es einen 100prozentigen Herdenschutz nicht geben kann. Wolfsabweisende Zäune weiterzuentwickeln und Herdenschutzhunde in die Schafherden zu integrieren, ist jedoch für die ganze Branche zukunftsentscheidend. Viele Bundesländer fördern den Herdenschutz bereits in unterschiedlichen Intensitäten, was den zusätzlichen Arbeitsaufwand, das Material sowie die Herdenschutzhunde angeht.
Die von der Gesellschaft zunehmend geforderten Tier- und Umweltschutzstandards betreffen die Schafhaltung bisher nur am Rande. Schäferinnen und Schäfer genießen gesellschaftliche Akzeptanz. Die Schafhaltung wird im Vergleich zu intensiven Tierhaltungssystemen als tiergerechter wahrgenommen. Tierwohl-Debatten umgehen die Schafhaltung jedoch nicht gänzlich: Derzeit werden bei Rassen mit bewolltem Langschwanz hauptsächlich aus hygienischen beziehungsweise gesundheitlichen Gründen, insbesondere bei Zuchttieren, die Schwänze kupiert. Das Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz hat sich dieser Problematik angenommen und in einem Projekt die Haltung von unkupierten Tieren getestet. Die Erfahrungen wurden veröffentlicht.
Im Oktober 2021 ging zudem das neue Tierwohlkompetenzzentrum Schaf an den Start. Dieses Verbundprojekt hat unter anderem das Ziel, das abgelaufene MuD Tierschutz-Projekt wissenschaftlicher zu vertiefen. Besonderes Augenmerk liegt außerdem auf der züchterischen Selektion auf Kurzschwänzigkeit.
Letzte Aktualisierung 16.05.2022