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Neben den typischen Leistungsmerkmalen von Schafen stehen heute vermehrt auch Tierwohlaspekte im Blickfeld der Züchter. Der Einsatz digitaler Technik kann dabei zu einem schnelleren züchterischen Fortschritt beitragen. Aktuell ist beispielsweise die Selektion auf Kurzschwänzigkeit ein wichtiges Thema.
Bei der Zucht von Nutztieren, also auch von Schafen, geht es in der Regel darum, die für die jeweilige Leistungsrichtung erwünschten Merkmale zu verbessern. Fleischschafe beispielsweise sollen sich durch eine hohe Fleischleistung und eine gute Futterverwertung auszeichnen. Bei Milchschafen liegt der Fokus verstärkt auf der Milchleistung; Zuchttiere werden nach Milchmenge und Zustand ihres Euters beurteilt. Auch die Fruchtbarkeit der weiblichen Schafe, ihre Muttereigenschaften oder die Eignung zur Landschaftspflege spielen eine wichtige Rolle in der Schafzucht.
Über viele Jahre hinweg wurde bei vielen Schafrassen auch eine Optimierung des Wollertrags angestrebt, und zwar nicht nur am Rumpf der Tiere, sondern auch an ihrem Schwanz. Um so viel Wolle wie möglich zu erhalten, legte man Wert auf lange und stark bewollte Schwänze, weshalb heute mehr als 70 Prozent der Schafe in Deutschland lange Schwänze haben.
Doch mit Wolle lässt sich heute kaum noch Geld verdienen, weshalb sie als Zuchtziel an Bedeutung verloren hat. Dazu kommt, dass Tiere mit einer ausgeprägten Schwanzbewollung zu starker Verschmutzung neigen; Kot und Urin haften daran und stellen eine perfekte Brutstätte für Fliegenmaden dar. Das beeinträchtigt das Wohl der Tiere. In der Vergangenheit kupierte man deshalb häufig die Schwänze der Schafe; um Schmerzen bei den Tieren zu vermeiden, wird dies jedoch immer weniger praktiziert. Man versucht stattdessen, mit züchterischen Mitteln Einfluss zu nehmen.
Heute stehen neben den typischen Leistungsmerkmalen also vermehrt auch Tierwohlaspekte im Blickfeld der Schafzüchter. Große Aufmerksamkeit widmet man außerdem der Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten oder der Resistenz gegen Parasiten – und der Verkürzung der Schwänze. Gesucht sind züchterischen Lösungen, die zu kurzen bis mittellange Schwänzen führen. Mit welchen Methoden kann das gelingen?
Schafzüchter unterscheiden im Großen und Ganzen drei Wege der züchterischen Beeinflussung von Merkmalen:
Mit der gezielten Zuchtwahl oder Selektion wollen die Schafzüchter den Fortpflanzungserfolg derjenigen Tiere steigern, die sich durch ein von ihnen - beziehungsweise vom Zuchtbuch oder von den Rassebeschreibungen - besonders erwünschtes Merkmal auszeichnen. Im Beispiel der Kurzschwänzigkeit von Schafen wählen sie deshalb diejenigen aus, die sich durch kurze Schwänze auszeichnen. Wie erfolgreich eine solche Selektion sein kann und welche weiteren Merkmale bei der gezielten Zucht auf Kurzschwänzigkeit berücksichtigt werden müssen, das zeigen erste Erfahrungen aus den Modell- und Demonstrationsvorhaben Tierschutz zum "Verzicht auf das Kupieren des Schwanzes bei Schaflämmern". Die Teilnehmenden kamen zu folgendem Ergebnis:
Dass die gezielte Selektion auf ein gewünschtes Merkmal Erfolg haben kann, zeigen Ergebnisse aus Großbritannien: Bei der Zucht auf Endoparasitenresistenz erhalten die britischen Schafzüchter gute Ergebnisse, indem sie Tiere mit schwerem oder wiederholt auffälligem Parasitenbefall von der Zucht ausschließen.
Eine andere züchterische Möglichkeit der Verkürzung der Schwanzlänge ist die Kreuzungszucht. Hierbei werden mindestens zwei verschiedenen Rassen miteinander gekreuzt. Gegebenenfalls wird dieser Vorgang mehrfach wiederholt. Wie erfolgreich diese Methode ist, hängt unter anderem von der Erblichkeit (Heritabilität) des entsprechenden Merkmals ab und variiert von Schafrasse zu Schafrasse. Für deutsche Fleischschafrassen bietet sich die Einkreuzung von holländischen Texel an: Die Tiere dieser Rasse haben kurze Schwänze und erbringen gute Mastleistungen. Und für Milchschafrassen scheint die Anpaarung von Finnschafe ein gangbarer Weg zu sein, da diese nordische Rasse ersten Studien zufolge ihren kurzen Schwanz gut vererbt.
Auch einer der Teilnehmer der Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz entschied sich zur Einkreuzung von Finnschafen in seine Herde (140 Milchschafe der Rasse Lacaune). Die ersten Kreuzungstiere wurden im September 2019 geboren und 25 Prozent von ihnen wiesen bereits kürzere Schwänze auf. Ein anderer Schafhalter plant, Haarschafe in seine Herde einkreuzen, um den Schafschwanz zu verkürzen und gleichzeitig dessen Bewollung zu reduzieren.
Manchmal beeinflusst die Einkreuzung einer Rasse nicht nur das gewünschte Merkmal, sondern hat auch Auswirkungen auf andere Eigenschaften, die erhalten bleiben sollen. Diesem Problem kann durch eine gezielte Rückkreuzung entgegengewirkt werden.
Der Milchschafbetrieb der MuD Tierschutz plant beispielsweise, eine Anpaarung von Lacaune-Böcken an seine Lacaune-Finnschaf-Kreuzungstiere vorzunehmen, um die Milchleistungseigenschaften der Lacaune-Schafe nicht zu verlieren.
Eine züchterische Maßnahme ist jedoch nur so gut und so nachhaltig, wie sie auch dokumentiert wird. In Bezug auf Eigenschaften wie Kurzschwänzigkeit oder Robustheit bedeutet das, diese Merkmale bereits beim neugeborenen Lamm systematisch zu erfassen und dem jeweiligen Muttertier zuzuordnen. Das geht nur mit exakter Bestandsführung. Sie ermöglicht eine genaue Bestandskontrolle und gewährleistet die Nachverfolgbarkeit über Generationen hinweg.
Das genaue Beobachten, das systematische Erfassen und das penible Dokumentieren beanspruchen jedoch viel Zeit. Hier hilft die digitale Technik weiter. Viele Betriebsleiter und Betriebsleiterinnen nutzen bereits heute elektronische Ohrmarken, Ohrmarkenerfassungsgeräte (Reader) und moderne Herdenmanagementprogramme für ihre Zuchtarbeit. Sie erfassen mit dieser Technik sowohl Leistungsparameter als auch Auffälligkeiten.
Beim Modell- und Demonstrationsvorhaben Tierschutz zum "Verzicht auf das Kupieren des Schwanzes bei Schaflämmern" wurde der Einsatz der digitalen Technik ausgiebig getestet, mit folgenden Erfahrungen:
Wenn es um die Anwenderfreundlichkeit geht, ist die verfügbare Herdenmanagement-Software für Schafhalter allerdings noch ausbaufähig.
Letzte Aktualisierung 16.05.2022