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Zeichnen sich Geburtsprobleme beim Mutterschaf ab, sollte eingegriffen werden. Wann das geschehen sollte, dafür stellt das Tierwohl-Kompetenzzentrum Schaf (TWZ Schaf) verschiedene Anhaltspunkte vor.
Vergehen ab Beginn der sichtbaren Wehentätigkeit oder Bauchpresse bis zum ersten Lamm oder zwischen zwei Lämmern mehr als 30 Minuten, sollte eine vaginale Untersuchung des Muttertieres durchgeführt werden.
Sofortiges Eingreifen ist erforderlich, sobald eine Abweichung von der normalen Haltung des Lammes im Geburtsweg erkennbar scheint. Zu beachten ist jedoch, dass nicht jedes Lamm auf physiologische (umgangssprachlich: natürliche) Weise geboren werden kann und in seltenen Fällen weiterführende Maßnahmen erforderlich sind.
Wie eine vaginale Untersuchung durchgeführt wird, woran man eine unphysiologische Haltung des Lammes - also eine Haltung, die nicht der normalen Geburtslage entspricht - erkennt und welche weiteren Ursachen für eine Schwergeburt vorliegen können, wird im Folgenden erklärt.
Die Gründe für eine Schwergeburt sind vielfältig und sie können vom Schaf oder vom Lamm ausgehen.
Geburtsprobleme ausgehend vom Schaf werden häufig durch eine unzureichende Weitung des weichen Geburtsweges hervorgerufen. Bei der sogenannten Zervixmanschette ist der Muttermund ungenügend geöffnet, sodass das Lamm nicht geboren werden kann. Auch eine Wehenschwäche, unter anderem hervorgerufen durch einen Energie- oder Kalziummangel, kann das Voranschreiten der Geburt verhindern. Ein enges, knöchernes Becken kann ebenfalls zu einer Geburtsstockung führen. Dies wird häufig beobachtet, wenn Tiere zu früh belegt wurden und zum Zeitpunkt der Geburt selbst noch nicht ausgewachsen sind. Obwohl eine Gebärmutterverdrehung (Torsio uteri) beim Schaf selten auftritt, sollte diese ebenfalls bei einer Geburtsverzögerung berücksichtigt werden.
Der Verdacht auf eine Gebärmutterverdrehung sollte gestellt werden, sobald das Muttertier während der Austreibungsphase ein zwanghaftes, schmerzhaftes Pressen zeigt, ohne dass ein Fortschritt der Geburt beobachtet werden kann. Erfahrene Untersucher können die Drehung der Gebärmutter durch spiralförmige Fältelung der Schleimhaut der Scheide feststellen und eine Einschätzung über den Grad der Verdrehung (< 90°; 90–180°; >180°) und die Drehrichtung (nach rechts, nach links) geben. Je nach Grad der Gebärmutterverdrehung kann ein manuelles Aufdrehen versucht werden. Gelingt dies nicht, muss eine operative Korrektur durchgeführt werden.
Liegt keine der beschriebenen Situationen vor, kann eine Schwergeburt außerdem durch die Größe der Lämmer und einer fehlerhaften Lage, Stellung oder Haltung der Lämmer hervorgerufen werden. Um die Ursache eines verzögerten Geburtsablaufes erkennen zu können, ist eine vaginale geburtshilfliche Untersuchung des gebärenden Schafes notwendig.
Zum Schutz der Tiere und des Untersuchenden ist die Einhaltung der Hygiene vor einer vaginalen Untersuchung essenziell. Jeglicher Schmuck muss von den Unterarmen und den Fingern entfernt werden, um mögliche Verletzungen des weichen Geburtsweges zu verhindern. Die Arme des Untersuchenden sowie der äußere Ano-Genitalbereich des Schafes sollten mit Wasser und Seife gewaschen und bestenfalls auch desinfiziert werden. Der Untersuchende sollte aus Eigenschutz zu jedem Zeitpunkt lange Handschuhe tragen. Um das Einführen der Hand in den Geburtsweg zu erleichtern, wird eine ausreichende Menge Gleitgel auf den Handschuh aufgetragen. Mit der freien Hand werden die Schamlippen gespreizt und die behandschuhte Hand eingeführt. Die Finger der untersuchenden Hand werden keilförmig geschlossen gehalten und erst eingeführt, wenn das Tier nicht presst. Sobald die Hand den Scheideneingang passiert hat, wird geprüft, ob der Muttermund geöffnet oder verschlossen ist. Die Einteilung der Muttermundöffnung wird nach der Anzahl passierbarer Finger definiert. Sofern die gesamte Hand eingeführt werden kann, wird die Lage und Stellung des Lammes nach dem 7-Punkte-Schema überprüft.
Befindet sich das Lamm in einer physiologischen Lage, so sind zwei zum Boden gerichtete Klauen und der Kopf des Lammes zu ertasten. Die Vordergliedmaßen befinden sich in einer gestreckten Haltung.
Das sogenannte 7-Punkte-Schema verschafft Untersuchenden einen Überblick über die Lage des Lammes im Muttertier und erleichtert so die Entscheidung über notwendige Maßnahmen.
Die Lage beschreibt die Position des Kopfes von Lamm und Mutter zueinander. Es können hierbei drei Lagen unterschieden werden:
Die Stellung beschreibt die Position der Wirbelsäule von Lamm und Muttertier zueinander.
Ein Lamm in unterer Stellung darf nicht ausgezogen werden! Aufgrund der natürlichen Winkelung des mütterlichen Beckens ist die Gefahr groß, dass es beim Auszug zu Verletzungen der Wirbelsäule des Lammes kommt.
Die Haltung beschreibt die Position der Gliedmaßen und des Kopfes im weichen Geburtsweg. Für die Entwicklung des Lammes müssen alle Gliedmaßen und der Kopf gestreckt sein. Sollte eine Korrektur der Gliedmaßen notwendig sein, sind die Klauen stets mit der Hand zu schützen, um eine Verletzung des Geburtsweges zu vermeiden.
Die Position beschreibt die Position der Gliedmaßen oder des Kopfes des Lammes im Verhältnis zum mütterlichen Becken. Korrekturmaßnahmen können in der Regel nur durchgeführt werden, wenn das Lamm noch nicht in das Becken eingetreten ist. Wenn dies nicht der Fall ist, muss es vorsichtig zurückgeschoben werden.
Größe beurteilt die Größe des Lammes in Relation zum Muttertier. Bei Lämmern, welche zu groß im Verhältnis zum Beckendurchmesser des Muttertieres sind, ist eine normale Geburt nicht möglich und es muss ein Kaiserschnitt durchgeführt werden.
Das Leben der Frucht wird durch das Feststellen verschiedener Reflexe (z. B. Zwischenzehenreflex, Saugreflex, Analreflex) oder von sicheren Todeszeichen (z. B. Ablösen von Wolle und Klauenschuh) beurteilt.
Bevor geburtshilfliche Maßnahmen zum Einsatz kommen, muss die Überlebenswahrscheinlichkeit von Muttertier und Lamm erfasst werden. Diese wird für Muttertier und Lamm getrennt beurteilt. Danach kann das in dem jeweiligen Fall sinnvollste Verfahren gewählt werden.
Nach Erfassung aller Punkte kann damit begonnen werden, eine Ausgangslage zu schaffen, in der das Lamm ausgezogen werden kann. Dabei muss stets sehr vorsichtig gearbeitet werden, da die Gebärmutterwand beim Schaf sehr dünn ist und rasch einreißen kann. Nach der Entwicklung jedes Lammes muss überprüft werden, ob sich ein weiteres Lamm in der Gebärmutter befindet.
Wenn man sich die Geburtshilfe oder eine rechtzeitige Lösung des Geburtsproblems nicht selbst zutraut, ist die Tierarztpraxis zu verständigen. Tierärzliche Behandlungen bieten unter anderem die Möglichkeit, die Geburtskräfte des Muttertieres medikamentös auszuschalten. Dies ermöglicht eine Korrektur von Lage-, Stellungs- und Haltungsanomalien des Lammes, ohne die Mutter zu verletzen.
Falls kein Auszug der Lämmer möglich ist, können Tierärzte je nach erhobenen Befunden auch Kaiserschnitte durchführen. Dies kann am stehenden oder liegenden Tier erfolgen. Die Schnittentbindung erfolgt üblicherweise in der linken Flanke, kann jedoch auch in der Mitte des Bauches beim auf dem Rücken liegenden Tier durchgeführt werden. Nach der Entwicklung der Lämmer werden die Gebärmutter sowie die Bauchmuskulatur und -haut durch Naht verschlossen. In Abhängigkeit vom Allgemeinbefinden des Muttertieres zum Zeitpunkt der Operation, besteht eine gute Prognose für einen erneuten Zuchteinsatz des Tieres.
Wurde der Tod der Lämmer sicher festgestellt, kann zum Schutz des Muttertieres außerdem eine Fetotomie, also das Zerteilen der Lämmer in der Gebärmutter, durchgeführt werden. Um eine Fetotomie durchführen zu können, müssen die Geburtskräfte des Muttertieres, wie Wehen und Bauchpresse, medikamentös ausgeschaltet werden. Mithilfe eines Metallrohres und einem darin geführten Sägedraht wird das tote Lamm in Teilstücke zerlegt, welche leichter über den Geburtskanal entwickelt werden können.
Lämmer, die durch Schwergeburten lebend auf die Welt kommen, sind als eigene erkrankte und zu versorgenden Tiere anzusehen, die direkt nach der Geburt speziell versorgt werden müssen.
Häufig führen Schwergeburten zu weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Muttertieres nach der Geburt. Durch den erhöhten Druck, welcher während des Auszugs oder der Austreibung der Lämmer auf den Beckenbereich ausgeübt wird, kann es zu Quetschungen und Schwellungen in diesem Bereich kommen. Dies kann weiterhin dazu führen, dass das Muttertier im Zeitraum nach der Geburt keinen Kot und Harn absetzen kann, was durch vermehrtes Pressen nach Abschluss der Geburt auffällt. Wird dies bei einem Schaf beobachtet, ist tierärztlicher Rat einzuholen.
Bei der Durchführung von geburtshilflichen Maßnahmen, aber auch bei Schwergeburten ohne Hilfe, kann es zur Verletzung der Gebärmutter kommen. Diese wird bei der vaginalen Untersuchung des Tieres durch eine Zusammenhangstrennung der Gebärmutterwand erkenntlich. In besonders schwerwiegenden Fällen tritt Darm in die Gebärmutter ein. Dies verschlechtert die Überlebensprognose für das Muttertier deutlich, da es in der Regel zu einem starken Blutverlust führt. Ist der Riss in der Gebärmutterwand frisch und gut erreichbar, kann ein operativer Verschluss durchgeführt werden. Tiere, die den akuten Zustand überleben, können aber zusätzlich eine Bauchfellentzündung entwickeln, was ihre Prognose nochmals deutlich verschlechtert.
Eine weitere Erkrankung, die in der Regel unmittelbar nach der Geburt auftreten kann, ist der Gebärmuttervorfall (Uterusprolaps). Anders als bei dem Scheidenvorfall stülpt sich hierbei die Gebärmutter zum Teil oder im Ganzen aus und fällt durch die Schamlippen vor. Diese Erkrankung ist als absoluter Notfall einzustufen, bei der der Tierarzt umgehend verständigt werden muss. Sobald ein Gebärmuttervorfall bemerkt wird, muss das Tier von der Herde getrennt werden, um eine Verletzung der Gebärmutter durch Tritte der anderen Tiere zu vermeiden. Bis zum Eintreffen des Tierarztes empfiehlt es sich, die Gebärmutter mit frischem, kalten Wasser zu säubern und gegebenenfalls auf einem sauberen Tuch lagern. Beim stehenden Tier wird die Gebärmutter mit einem sauberen Tuch hochgehoben, um die Zuglast zu vermindern.
Nach der Geburt erfolgt eine Kontrolle des Euters. Ist genügend Milch vorhanden, um die Lämmer zu ernähren? Oder müssen die Lämmer zugefüttert werden? Auch in den kommenden Tagen ist eine tägliche Euterkontrolle sinnvoll, um eine Euterentzündung frühzeitig erkennen und behandeln zu können. Fühlt sich das Euter warm oder fest an oder ist es für das Schaf schmerzhaft, ist auch dies ein Fall für tierärztlichen Rat oder Behandlungen. Auch eine verminderte Futteraufnahme oder das Abtreten der Lämmer beim Säugen können Hinweise auf eine Euterentzündung sein.
Letzte Aktualisierung 29.09.2023