Die Borchert-Kommission schlägt vor, die finanzielle Unterstützung auf zwei Komponenten aufzuteilen: Eine einmalige Investitionsförderung und jährliche Tierwohlprämien. Die Expertinnen und Experten des Thünen-Instituts diskutieren in ihrer Folgenabschätzung, ob die Tierwohlprämien die Mehrkosten nur teilweise oder besser vollständig kompensieren sollten. Eine ökonomisch-theoretische Analyse des Thünen-Instituts zeigt, dass prinzipiell eine vollständige Kompensation – also 100 Prozent über Tierwohlprämie – erforderlich ist. Mit dieser Empfehlung weichen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Thünen-Instituts von den Vorschlägen der Borchert-Kommission ab, die bislang eine 85-prozentige Finanzierung der Kosten über die Tierwohlprämie fordert.
Berechnungen des Thünen-Instituts zeigen weiterhin, dass in der Mehrzahl der Fälle auch eine Investitionsförderung von 40 Prozent - wie aktuell in der Praxis angewendet – nicht ausreichend ist, um die Höhe der tierwohlbedingten Mehrinvestitionen voll zu kompensieren. Für eine vollständige Kompensation in allen Stufen müssten die Förderquoten bei bis zu 60 Prozent liegen.
Wirtschaftliche Auswirkung einer Nutztierstrategie
"Eine von der Bevölkerungsmehrheit getragene Nutztierstrategie könnte dazu führen, dass zahlreiche tierhaltende Betriebe zuversichtlicher in die Zukunft blicken", schreibt das Thünen-Institut. "Die Strategie bietet ihnen eine klare Perspektive über den Zukunftskurs und einen verlässlichen wirtschaftlichen Ausgleich für die tierwohlbedingten Mehraufwendungen." In der Folgenabschätzung gibt es dazu einige Beispielkalkulationen.
Die landwirtschaftlichen Einkommen würden sich durch die Nutztierstrategie leicht positiv entwickeln, so die Autorinnen und Autoren, sofern die Tierwohlprämie so festgesetzt würde, dass sie die tierwohlbedingten Mehrkosten im Durchschnitt der Betriebe ausgleiche.
Die Expertinnen und Experten weisen jedoch darauf hin, dass sich der Betriebsgrößenstrukturwandel durch die Umsetzung der Borchert-Empfehlungen nur geringfügig ändert. Denn die Kriterien der Tierwohlstufen 2 und 3 könnten auch von größeren Betrieben erreicht werden und die wirtschaftlichen Treiber des Betriebsgrößenstrukturwandels wirkten weiterhin. Die im Haupterwerb betriebenen, kommerziellen Nutztierhaltung werden nach Prognosen des Thünen-Instituts bis 2040 auf voraussichtlich weniger als 20.000 Tierhaltungen sinken. Daneben werde es eine Vielzahl von Klein- und Kleinsttierhaltungen geben, die im Nebenerwerb oder als Hobby-Tierhaltung betrieben würden.
Keine Transformation ohne breite gesellschaftliche Akzeptanz
Die Transformation der Tierhaltung könne nur funktionieren, so das Thünen-Institut, wenn die Gesellschaft auch langfristig zur Finanzierung dieses Prozesses bereit sei und im Laufe der Zeit immer mehr Landwirtinnen und Landwirte in tiergerechte Haltungssysteme investierten, die gesellschaftlich erwünscht seien. Das Thema "Vertrauen" ist aus Sicht des Thünen-Instituts daher von überragender Bedeutung für die Erfolgsaussichten der Nutztierstrategie.
In vielen Diskussionen nach Veröffentlichung der Borchert-Empfehlungen wurde deutlich, dass sowohl in der Landwirtschaft als auch bei den kritischen Bevölkerungsgruppen die Sorge bestehe, die jeweils "andere Seite" würde sich im Laufe der Zeit nicht mehr an die Abmachungen halten. Konkret befürchteten viele Landwirtinnen und Landwirte, dass künftige Parlamente die Finanzierung der Tierwohlprämie in Frage stellten und/oder dass neue ordnungspolitische Vorgaben des Tierschutzrechts oder des Umweltrechts die Investitionen unrentabel werden ließen. Umgekehrt hätten zivilgesellschaftliche Gruppen die Sorge, mit der Nutztierstrategie würden neue Subventionstatbestände für die Landwirtschaft geschaffen, ohne dass eine ausreichende Transformation des Sektors in Richtung auf umwelt- und tierschutzpolitische Ziele erreicht würde.
Daher sollte sorgfältig überlegt werden, wie sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickeln kann, die langfristig tragfähig ist. Das Thünen Institut stellt dazu in seiner Folgenabschätzung einige Ansatzpunkte zur Diskussion, die zu positiven Weichen-stellungen führen können.
Klöckner und Borchert sehen sich in ihrem Vorgehen bestätigt
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sowie Jochen Borchert, Vorsitzender des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, sehen sich durch die Ergebnisse der Folgenabschätzung bestätigt, die von der Kommission erarbeiteten Pläne zur nachhaltigen Verbesserung der landwirtschaftlichen Tierhaltung umzusetzen.
Nun müsse man sich noch auf ein Finanzierungsmodell einigen, sagte Klöckner bei der Pressekonferenz am 3. Mai und appellierte an ihre Kolleginnen und Kollegen im Bundestag: "Ich habe Verständnis dafür, dass die Fraktionen noch intern Beratungsbedarf haben. Ich rate aber dazu, sich noch in dieser Legislaturperiode auf einen Weg zu einigen."