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Mit Hilfe von rohfaserreichen Futterrationen ist es möglich, Verhaltensauffälligkeiten bei Zuchtsauen zu vermindern und die Aggressivität in Sauengruppen zu reduzieren, ohne die Leistungen der Tiere zu verringern.
In der Natur verbringen Sauen einen großen Teil ihres Tages mit der Futtersuche. Etwa 70 Prozent der täglichen Aktivitätszeit verwenden sie darauf, in der Erde nach Fressbarem zu wühlen. Dieser natürliche Erkundungstrieb kann in konventionellen Haltungssystemen oft nicht ausreichend befriedigt werden. Und auch die Dauer der Nahrungsaufnahme reicht in diesen Systemen bei weitem nicht an die natürlichen Bedingungen heran.
Für Landwirte stellt dies eine große Herausforderung dar, die sich bei tragenden Zuchtsauen in der Wartezeit weiter verstärkt: Damit die Tiere in der Phase zwischen Neubelegung und Geburt der Ferkel ausreichend Körperreserven bilden können, ohne dabei zu verfetten, werden sie meist restriktiv gefüttert. Die ohnehin begrenzten Fresszeiten reduzieren sich weiter. Kurze Futterzeiten provozieren jedoch Verhaltensauffälligkeiten wie das Stangenbeißen und bei der Gruppenhaltung von Sauen steigern sie das Aggressionsniveau in der Herde. Werden die Tiere nach der Besamung neu gruppiert, verstärkt dies die Unruhe zusätzlich.
Wie kann es gelingen, diese Situation zu entschärfen? Und wie kann man die Fresszeit während der Wartezeit ausdehnen, ohne ein Verfetten der Tiere zu riskieren?
Die Lösung hierfür könnten rohfaserreichere Rationen sein. Es ist vorstellbar, dass eine ballaststoffreiche Ernährung viele Aktivitäten in der Sauenherde bindet, weil die Tiere zum einen länger mit dem Fressen beschäftigt sind und zum anderen besser (und langanhaltender) gesättigt werden.
Zu bedenken ist jedoch, dass ein erhöhter Rohfasergehalt in der Futterration die Energie- und Proteinverwertung häufig negativ beeinflusst, so dass die Sauen dann keine ausreichenden Körperreserven für die Säugezeit bilden. Gefragt sind deshalb Rationen, die hochwertige Ballaststoffe enthalten und gleichzeitig gut verdaulich sind.
Im Rahmen des EIP-Agri-Projekts "Tierwohl – ein innovatives Fütterungskonzept für Schweine" widmete sich ein Team aus Rheinland-Pfalz der Entwicklung einer rohfaserreichen und hochverdaulichen Futterration. In der operativen Gruppe arbeiteten Prof. Georg Dusel, Technische Hochschule Bingen, die Landwirte Martin Dittmar und Jan-Max Werner, Wilhelm Zimmerlin, Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Tierärztin Dr. Anne Winkler und Miriam Priester, Technische Hochschule Bingen, zusammen. Gemeinsam untersuchten sie die Auswirkungen verschiedener Rohfaserquellen/Futterkomponenten auf das Verhalten der Sauen während der Trächtigkeit, auf ihre Fortpflanzungsleistung sowie auf die Entwicklung der Ferkel.
Die Gruppe analysierte zunächst die physikalischen Eigenschaften (Rohfasergehalt, Wasserbindungskapazität, Viskosität und Quellkapazität) von 28 verschiedenen Futtermitteln, die am Markt gut verfügbar und für Schweine schmackhaft sind. Auch wirtschaftliche Aspekte spielten in die Auswahl mit hinein. Aus den Futtermitteln mit hohen Rohfasergehalten und hohen Werten für die Wasserbindungskapazität, die Viskosität und die Quellkapazität entwickelte das Team eine Futterration für Sauen, deren Verdaulichkeit sie an acht kastrierten Tieren testete. Bestimmt wurden die Verdaulichkeit der Bruttoenergie, des Rohproteins, der Rohfaser, des Rohfetts und der Rohasche.
Zusätzlich führte das Team mit 96 Sauen einer dänischen Genetik einen praktischen Fütterungsversuch durch. Die Tiere wurden in zwei Gruppen a 48 Tiere eingeteilt. Gruppe eins erhielt eine Rohfaserration mit Zuckerrübenschnitzeln, Luzerne, Rapsmehl, Sojabohnenschalen, Traubentrester und Lignocellulose (= hoher Rohfasergehalt und hohe Werte für Wasserbindungskapazität, Viskosität und Quellkapazität). An Gruppe zwei wurde eine Kontrollration auf Basis von Weizenkleie und Lignocellulose verfüttert (Tabelle 1). Um die Aktivitäten in den Sauengruppen (Interaktionen, Kämpfe) zu überprüfen, wurden sechs Buchten mit je acht Sauen zwei Wochen lang videoüberwacht. Darüber hinaus wurden die Tiere wöchentlich bonitiert. Dabei erfasste das Team neben dem Ausmaß der Hautverletzungen auch die Körperkondition der Sauen. Zu guter Letzt registrierte es die Reproduktionsparameter der Tiere (Anzahl und Gewicht lebend- und totgeborener Ferkel, Wurfgewicht, Absetzgewicht der Ferkel).
Futterkomponente | Kontrollration | Rohfaserration |
---|---|---|
Luzerne | - | 15,0 |
Zuckerrübenschnitzel | 15,0 | 21,5 |
Bierhefe | 2,0 | - |
Leinkuchen | 2,0 | - |
Traubentrester | - | 7,0 |
Malzkeime | - | 3,0 |
Lignocellulose | - | 5,0 |
Rapsmehl | - | 10,0 |
Sojabohnenschalen | - | 7,0 |
Sojabohnenmehl | 25,0 | 20,1 |
Pflanzenöl | 1,0 | 1,0 |
Weizennachmehl | 5,0 | - |
Weizenkleie | 42,6 | - |
Mineralien, Vitamine und Aminosäuren | 7,4 | 10,4 |
Quelle: Priester et al. (2020): Fibre supply for breeding sows and its effects on social behaviour in group-housed sows and performance during lactation. Porcine Health Management |
Die Auswertung der Versuche ergab folgende Ergebnisse:
Die operationelle Gruppe des EIP-Agri-Projekts "Tierwohl – ein innovatives Fütterungskonzept für Schweine" kommt zu dem Schluss, dass es mit Hilfe von rohfaserreichen Futterrationen möglich ist, Verhaltensauffälligkeiten bei Sauen zu vermindern und die Aggressivität in Sauengruppen zu reduzieren. Um stereotype Verhaltensweisen effektiv zu unterbinden, scheint es nach den Erfahrungen der Gruppe sinnvoll zu sein, bereits junge Sauen mit rohfaserreichen Rationen zu versorgen. Bei älteren Sauen, die bereits mehrere Male trächtig waren, wirkt sich der Einsatz rohfaserreicher Rationen weniger deutlich aus. Dies kann daran liegen, dass sich bei diesen Tieren bereits negative Gewohnheiten eingeschlichen haben.
Video zum Projekt "Tierwohl – ein innovatives Fütterungskonzept für Schweine". Quelle: DVS
Die positive Wirkung von rohfaserreichen Rationen auf die Entwicklung und die Leistungsfähigkeit von Jungsauen wird durch eine zweite Studie der Technischen Hochschule Bingen gestützt. Hierbei beschäftigte sich ein Forscherteam mit den Auswirkungen einer ballaststoffreichen Kost auf die Entwicklung des Magen-Darm-Traktes bei jungen Schweinen und auf ihre spätere Leistungsfähigkeit. Im Rahmen der Studie wurden Jungsauen in der zweiten Hälfte ihrer Aufzuchtphase mit einer rohfaserreichen Ration gefüttert. Ihre Abferkelergebnisse und ihre Futteraufnahmekapazität während der ersten Laktation wurden mit den Ergebnissen einer Kontrollgruppe verglichen, die ein herkömmliches Aufzuchtfutter mit einem geringeren Rohfasergehalt erhalten hatte. Bei den Tieren der „Rohfasergruppe“ verzeichneten die Wissenschaftler ein höheres Wurfgewicht als bei den Tieren der Vergleichsgruppe (20,6 Kilogramm zu 15,9 Kilogramm) und eine höhere Futteraufnahme während der Laktation. Dies führen sie unter anderem auf eine optimale Entwicklung des Verdauungstraktes der Jungsauen zurück.
Letzte Aktualisierung 08.02.2021