Bislang erfolgen diese Bonituren manuell, was sehr zeitaufwendig ist. Außerdem variiert die Qualität der Tierbeurteilung je nach Qualifikation, Erfahrung und Motivation der durchführenden Person. Wenn Tierwohlindikatoren automatisch erfasst und dabei zuverlässige Ergebnisse generiert werden könnten, böte dies enorme Chancen, Probleme im Junghennen- und Legebetrieb frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.
In einem vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung geförderten Verbundprojekt "AutoWohl" (Automatisierte Erfassung von Tierwohlindikatoren bei Geflügel) nahmen sich wissenschaftliche Institutionen, Industrieunternehmen und Praxisbetriebe neben der Bewertung des Tierwohls von Masthühnern und Puten auch der automatischen digitalen Erfassung von Gefiederschäden im Legehennenbestand an (also mit Hilfe von Kameras). Zusätzlich wurde die automatische Bewertung von Brustbeinschäden mittels eines 3D-Bildverarbeitungs-Systems erprobt.
Automatisches Erfassen des Gefiederstatus im Bestand
Von dem Kamerasystem, das im Legehennenstall eingesetzt werden soll, versprechen sich die Projektteilnehmer ein früheres Erkennen von Federpicken und Kannibalismus im Bestand und eine objektivere Bewertung der Gefiederschäden bei gleichzeitig geringerem personellem Aufwand. Dabei wird angestrebt, dass das bildgebende System schon bei den ersten Anzeichen von Federpicken einen Alarm ausgibt.
Das im Rahmen des AutoWohl-Projektes als Prototyp entwickelte Kamerasystem funktioniert wie folgt: Aus einer "Gesamtfläche der Hennen" im Stall wird der prozentuale Anteil veränderter Areale (fehlendes Deckgefieder, unbefiederte Bereiche) ermittelt. In die Auswertung fließen auch Bilder, die nur Teile von Hennen zeigen, mit ein. Erste Tests des Systems erbrachten folgende Ergebnisse:
- Das Kamerasystem eignet sich gut zur Erfassung und Bewertung des Gefiederstatus von braunen Legehennen. Die Technik erkennt die farblichen Unterschiede zwischen den braunen Deckfedern der Tiere und den weißen Dunenfedern recht zuverlässig. Für die automatische Beurteilung des Gefiederzustands von weißen Hennen wird allerdings unterstützende Technik benötigt.
- Um eine möglichst hohe Stichprobenzahl pro Tag zu erzielen, ist es ratsam, das Kamerasystem mehrmals durch den Stall zu fahren.
- Insgesamt hat sich gezeigt, dass die Entwicklung eines praxistauglichen Kamerasystems für das Erfassen von Gefiederschäden im Stall eine äußerst komplexe Angelegenheit ist und noch weitere Arbeiten notwendig sind, um die Systeme praxistauglich zu machen. Hierfür müsste ein Schwellenwert für den prozentualen Anteil der Gefiederschäden definiert werden, bei dessen Überschreitung ein Alarm ausgelöst und der Tierhalter zu detaillierten Untersuchungen beziehungsweise zur Einleitung von Notfallmaßnahmen veranlasst wird.
- Ein praxisreifes System sollte darüber hinaus über eine automatische Kalibrierfunktion verfügen, die das System täglich vor der ersten Datenerhebung überprüft und die Funktion des Kamerasystems sicherstellt.
Über das hier geschilderte Kamerasystem hinaus erfolgten im AutoWohl-Projekt erste Untersuchungen mit einer Wärmebildkamera. Diese verliefen vielversprechend. Die Technik lokalisierte zuverlässig gering befiederte Körperflächen. Weitere Tests folgen.